Ein bisschen Zukunftsoptimismus

Pia hat die Nase voll von dystopischen Zukunftsszenarien. Ein Glück, dass sie gerade ein Jahr lang auf Tranholmen lebt. Wie das Leben dort aussieht und wie es für sie mit Zukunftsoptimismus zusammenhängt, erfahrt ihr in ihrem Artikel.

Bild: Pia

Ich wohne auf einer Insel, die aussieht wie eine Utopie.

Lasst sie mich kurz beschreiben: Tranholmen ist einen halben Quadratkilometer groß und beherbergt, laut inseleigener Website, knapp 200 Haushalte. Die Insel besteht größtenteils aus Gärten, in deren Mitte Holzhäuser und eine Menge Bäume stehen. Dazwischen schlängeln sich Schotterwege entlang. An Autos gibt es hier nur einen Traktor und einen Gabelstapler, um schwere Kisten vom Lastkahn auf unterschiedliche Orte der Insel zu transportieren – denn eine Verbindung zum Festland existiert nur von November bis Mitte April, und zwar in Form einer auf dem Wasser schwimmenden Fußgängerbrücke. Wer sonst von der Insel herunter will, muss entweder die Fähre nehmen, ein Motorboot besitzen oder rudern können. Immerhin ist das nächste Ufer nur 200 Meter entfernt.

Nein, das ist nicht typisch für Schweden. Und erst recht nicht für eine Insel, die zum Großraum Stockholm gehört. Wenn ich das erzähle, werde ich oft gefragt, wie ich hier gelandet bin. Ist ja immerhin schon ein wenig zusammenhangslos, oder? Aber die Antwort ist ganz einfach: Ich mache gerade mit der Organisation ICE e.V. einen Freiwilligendienst auf Tranholmen, genauer gesagt in dem Inselkindergarten. Und der Grund, aus dem ich diesen Erfahrungsbericht schreibe, ist folgender: Diese Insel sieht so aus, wie ich mir meine Zukunft erhoffe.

Seit Mitte 2018 – noch bevor ich von Greta gehört hatte – habe ich eine ziemliche Angst vor dem Klimawandel.

Eine Weile lang konnte ich, wenn ich zum Beispiel dabei war, Kurzgeschichten zu schreiben, nur an Dystopien denken. In der Hoffnung, dass das, was ich schreibe, Leute zum Umdenken bewegen könnte, falls jemand es lesen würde. Erst dieses Jahr habe ich es das erste Mal ernsthaft ausprobiert, eine Utopie zu beschreiben – und zwar anlässlich des Schreibwettbewerbes FutureFiction, der unter anderem vom Karlsruher Institut für Technologie organisiert und von den ScientistsForFuture unterstützt wurde. Bei der Abschlussveranstaltung habe ich gelernt, dass Jugendliche, die nichts gegen den Klimawandel unternehmen, das oft nicht unterlassen, weil sie dessen Gefahren unterschätzen – sondern weil sie Angst haben. Weil das Thema zu groß wirkt. Man ist gelähmt. Oh ja, kann ich das nachvollziehen. Und kenne ich ihn nicht vielleicht sogar aus meinem Bekanntenkreis, diesen Gedanken: Unsere Zukunft ist sowieso versaut, dann lasst uns wenigstens mit Schwung untergehen?
Der Gedanke des Wettbewerbs also war: Warum nicht einmal weniger erzählen, was passieren wird, wenn wir nichts tun – und stattdessen erzählen, was passieren wird, wenn wir den Klimawandel besiegen? Davon berichten, was dann vielleicht noch alles besser wird. Also außer, dass der Planet nicht mehr auf der Intensivstation liegt? Einen Sommerabend lang wurden bei dieser Abschlussveranstaltung Utopien vorgelesen. Hinterher war ich richtig motiviert.

Und jetzt bin ich also auf Tranholmen ...

...und es fühlt sich so an, als wäre fast alles wahr geworden, was ich damals gehört habe. Die Nachbarschaft hier ist so etwas wie ein geschlossener Tauschkreis. Wenn man etwas braucht, schreibt man eine Nachricht in die Inselgruppe und vermutlich bringt einem irgendwer den gesuchten Gegenstand innerhalb von Stunden zur Mitbenutzung vorbei. Irgendwo auf den Wegen gibt es ein rosa Kinderfahrrad, das allen Kindern abwechselnd gehört. Vor drei Wochen gab es ein Apfelsaftpressen von mehreren Familien, die Äpfel kamen von einem der zahllosen Apfelbäume hier. Man begrüßt sich, wenn man sich begegnet, man hilft sich, wo man kann.
Klar, auch hier ist natürlich nicht alles perfekt – ich muss zugeben, dass ich darüber fast ein wenig erleichtert war. Es gibt hier keinen Laden. Allerdings kann man sich Essen über die Website eines Supermarktes bestellen. Dort kann man übrigens auch gleich nachsehen, wie nachhaltig die bestellte Ware bezüglich verschiedener Punkte ist – Klima, Biodiversität, Wasserverbrauch…

Worauf ich hinauswill?

Ich möchte unter Leuten, denen es so geht wie mir, ein kleines bisschen Hoffnung verbreiten. Stellt euch vor, wir hätten in dreißig Jahren den Klimawandel auf ein minimales Maß beschränkt. Stellt euch vor, unser Leben sähe so aus, wie es das hier bereits tut. Nur ohne das Rudern, stattdessen vielleicht perfekt eingebunden in den ÖPNV.
Hättet ihr Lust darauf? Ich schon. Aber bevor wir anfangen, die Welt zu retten, gehe ich mir jetzt erst einmal noch einen Apfel pflücken.

Autorin / Autor: Pia - Stand: 15. Oktober 2021