Studie: Je wertvoller der Inhalt einer gefundenen Geldbörse, desto eher wird sie zurückgegeben
Was würdet ihr machen, wenn ihr eine Geldbörse mit 1000 Euro findet? Das Geld behalten und das Portemonnaie zurückgeben, weil es ja eh keiner nachvollziehen kann, wer das Geld genommen hat? Das klassische ökonomische Modell sagt genau dieses Verhalten voraus. Aber eine Schweizer Studie hat jetzt herausgefunden, dass das so nicht ohne Weiteres stimmt. Im Gegenteil, Forschende der Universitäten Zürich, Michigan und Utah deckten in einer weltweit angelegten Studie auf: Je mehr Geld sich in einer verlorenen Geldbörse befindet, desto eher wird sie den Besitzer_innen zurückgegeben. Die Forschenden untersuchten in 355 Städten in 40 Ländern, was Menschen dazu veranlasst, eine gefundene Geldbörse zurückzugeben oder sie zu behalten. Dazu gaben sie mehr als 17.000 Portemonnaies beim Empfang verschiedener Institutionen wie Hotels, Banken, Museen, Post- oder Polizeistellen ab.
*Zurückgeben oder behalten?*
Was ist die Motivation für Finder_innen? Lockt sie die Aussicht, das gefundene Geld zu behalten, scheuen sie den Aufwand, den oder die Besitzer_in zu kontaktieren, oder spielen Überlegungen eine Rolle, das eigene Image als "ehrlicher Mensch" nicht aufs Spiel setzen zu wollen? Letztere entstehen dadurch, dass viele Menschen das Behalten einer gefundenen Geldbörse als Diebstahl empfinden und man somit sein Selbstbild anpassen müsste.
*Das Selbstbild als ehrliche Person wahren*
Die Studie ergab: es sind genau diese "psychologischen Kosten", die einen großen Effekt auf das Verhalten der Finder_innen hatten. "Menschen wollen sich als ehrliche Personen sehen, nicht als Diebe. Ein gefundenes Portemonnaie zu behalten führt dazu, dass man sein Selbstbild anpassen muss, was mit psychologischen Kosten verbunden ist», erklärt Michel Maréchal, Ökonomieprofessor am Institut für Volkswirtschaftslehre der UZH. Und Teilnehmende einer ergänzenden Umfrage bestätigten: Je mehr Geld sich in einem gefundenen Portemonnaie befand, desto eher wurde das Behalten als Diebstahl eingestuft, die "Kosten" für die Korrektur des Selbstbildes steigen entsprechend.
*Der Inhalt macht den Unterschied*
Die Geldbörsen enthielten eine Visitenkarte, eine Einkaufsliste, einen variierenden Geldbetrag und einen Schlüssel, der natürlich nur für den oder die Besitzer_in einen Wert hat. Um selbstlose Überlegungen zu messen, verwendeten die Forscher_innen auch einige Geldbörsen ohne Schlüssel. Es stellte sich heraus: Geldbörsen mit einem Schlüssel wurden eher zurückgegeben als solche, die gleich viel Geld, aber keinen Schlüssel enthielten. Für die Forschenden zeigt dies, dass Altruismus auch eine Rolle spielt, auch wenn das nicht das Hauptmotiv ist.
*Weniger egoistisch als gedacht*
Obwohl diese Ergebnisse zeigen, dass das eingangs genannte ökonomische Modell nicht stimmt, offenbart eine zusätzliche Umfrage, dass viele Ökonom_innen und auch die allgemeine Bevölkerung davon ausgehen, dass gefundene Portemonnaies mit großen Geldbeträgen eher nicht zurückgegeben werden. "Wir nehmen fälschlicherweise an, dass unsere Mitmenschen sich egoistisch verhalten. In Realität ist ihnen ihr Selbstbild als ehrliche Person wichtiger als ein kurzfristiger monetärer Gewinn", kommentiert Ko-Autor Alain Cohn, Assistenzprofessor für Ökonomie an der Universität Michigan diesen Widerspruch.
*Die ehrlichsten Länder*
In der Studie kam übrigens heraus, dass die Schweiz zusammen mit Norwegen, Dänemark, Schweden oder den Niederlanden zu den ehrlichsten Ländern gehören. Dort wurden zwischen 70 und 85 Prozent der Geldbörsen zurückgegeben. Die Schweizer_innen waren am ehrlichsten, wenn es darum ging, Geldbörsen abzugeben, die nur einen Schlüssel, aber kein Geld enthielten. In Dänemark, Schweden und Neuseeland war die Rückgabequote höher, wenn mehr Geld im Spiel war.
In Ländern wie China, Peru, Kasachstan und Kenia wurden dagegen im Durchschnitt nur zwischen 8 und 20 Prozent der Portemonnaies zurückgegeben. Obwohl auch in diesen Ländern solche mit höheren Geldsummen oder wertvollem Inhalt eher zu ihren Besitzer_innen zurückfanden.
Die Studie ist im Fachmagazin Science erschienen.
Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 21. Juni 2019