Die Macht der Wörter

Studie: Informationen und Sprache in Nachrichten beeinflussen Vorurteile gegenüber Minderheiten

Dass nicht nur die ausgewählten Inhalte, sondern auch die Wortwahl in Nachrichten und Artikeln großen Einfluss auf die Wahrnehmung von Minderheiten haben und Vorurteile schüren können, ist nichts Neues. Aber welch feinen Unterschied zum Beispiel die Verwendung von Adjektiven oder Nomen machen kann oder die Kombination von positiven und negativen Eigenschaften, ist hingegen noch wenig erforscht. Sylvie Graf und Sabine Sczesny vom Institut für Psychologie an der Universität Bern haben sich diese Feinheiten in ihrem von der Europäischen Kommission geförderten Projekt «Immigrants in the Media» genauer angesehen und dazu drei experimentelle Studien durchgeführt.

In ihren Studien untersuchten die Forscherinnen Vorurteile gegenüber in der Schweiz oft negativ wahrgenommenen Gruppen – Roma und Kosovo-Albaner_innen – und einer positiv wahrgenommenen Gruppe – Italienier_innen. Die Studien wurden in verschiedenen kulturellen Kontexten durchgeführt, nämlich in Tschechien und in der Schweiz.

Die Aufgabe der Studienteilnehmenden bestand darin, fiktive Zeitungsartikel über Mitglieder der drei Minderheiten-Gruppen zu lesen, die entweder positive (z.B. «helfend»), negative (z.B. «attackierend») oder gemischte Verhaltensweisen (z.B. «helfend und attackierend») beschrieben. Interessant war, dass bereits ein einziger Artikel ausreichte, die Vorurteile gegenüber der untersuchten Minderheit zu ändern. «Positive Artikel führten zu einer Abnahme der Vorurteile, wohingegen negative Artikel zu ausgeprägteren Vorurteilen gegenüber der beschriebenen Minderheit führten», erklärt Sylvie Graf.
Allerdings reduzieren auch Artikel, die sowohl positive als auch negative Informationen enthielten, Vorurteile – ebenso stark, wie die positiven Artikel. Für Graf bedete das, dass "das Einfügen positiver Informationen in negative Nachrichten Vorurteile mildern kann".

*Nomen fördern Vorurteile stärker als Adjektive*
Meistens ist es sofort ersichtlich, ob eine Berichterstattung positiv oder negativ ist. Allerdings können Nachrichten auch subtilere Hinweise enthalten, die beeinflussen, wie Minderheiten wahrgenommen werden. Ein Beispiel dafür sind kleine Sprachvariationen, die die Ethnizität der Akteure beschreiben. So macht es einen Unterschied, ob eine Person als «eingewanderter Italiener» oder als ein «italienischer Eingewanderter» beschrieben wird. Frühere Studien haben gezeigt, dass Informationen, die in einem Nomen ausgedrückt werden, unsere Meinung über eine Person stärker beeinflussen als wenn die gleiche Information über ein Adjektiv transportiert wird. So glaubten zum Beispiel Menschen, dass ein Katholik öfter die Kirche besucht als eine katholische Person – trotz der Tatsache, dass Nomen und Adjektiv das gleiche, nämlich die Religion einer Person, beschreiben. Bis jetzt hat keine Studie die Effekte von Nomen und Adjektiven in positiven versus negativen Texten systematisch getestet. Graf und ihre Kolleginnen zeigten nun, dass Nomen, die zur Beschreibung der Ethnizität genutzt werden («ein rettender Kosovo-Albaner»), zu einem ausgeprägteren Vorurteil gegenüber der beschriebenen Minderheit führten, als wenn zur Beschreibung der Ethnizität Adjektive genutzt wurden («ein kosovoalbanischer Retter»). «Nomen fördern vorhandene Vorurteile mehr als Adjektive, und zwar unabhängig von Positivität oder Negativität der Berichterstattung – sogar wenn über positive Ereignisse berichtet wird», sagt Graf.

*Journalist_innen aus Einwandererfamilien unterrepräsentiert*
Ein Grund für die oft unsensible Art, über Minderheiten zu schreiben, sieht der Verein "Neue deutsche Medienmacher" darin, dass sich in Zeitungsredaktionen immer noch viele Stereotypen halten und die Teams zuwenig multikulturell zusammen gesetzt seien. Während der Anteil von “Menschen mit Migrationshintergrund” in der deutschen Bevölkerung fast ein Viertel ausmache, fände sich diese Vielfalt in den Redaktionen deutscher Medien nicht wieder, heißt es auf der Webseite des Vereins. Schätzungsweise nur fünf Prozent der Journalist_innen kommen aus Einwandererfamilien. So sei es kein Wunder, dass in der Berichterstattung seltener ihre Perspektiven und Geschichten auftauchen.

Quellen:

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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 28. Mai 2019