Der Ruf bestimmt das Verhalten

Studie: Scham und Stolz fördern Zusammenhalt

Wer will schon gerne vor anderen Leuten bloßgestellt werden? Natürlich niemand! Der persönliche Ruf ist den meisten von uns mehr wert als finanzielle Vorteile. Sogar Egoisten und Geizkragen werden zu den liebenswürdigsten und selbstlosesten Menschen, wenn ihnen Lob winkt oder Verachtung droht. Das geht aus einer neuen Studie des Max-Planck-Instituts für Evolutionsbiologie in Plön und der University of British Columbia in Kanada hervor.

Demnach verhalten sich die SpielerInnen in so genannten Gemeinwohl-Spielen kooperativer, wenn besonders positives oder besonders negatives Verhalten öffentlich wird. Positive wie negative Beurteilung durch Mitmenschen bestimmen also menschliches Verhalten maßgeblich mit.

*Angst vor Demütigung*
Die Bilder sind bis heute unvergessen: Im Februar 2008 verhaften Steuerfahnder Klaus Zumwinkel in seinem Privathaus und führen ihn vor laufenden Kameras ab. Von manchen als Vorverurteilung durch die Medien kritisiert, wurde der Ruf des damaligen Chefs der Deutschen Post durch diese öffentliche Demütigungen nachhaltig beschädigt. Die abschreckende Wirkung solcher Aufnahmen ist womöglich größer als die Angst vor den strafrechtlichen Folgen.

*Besonders kooperativ bei Offenlegung der Geizigen*
Wie wichtig Begriffe wie „Schande“ und „Ehre“ für menschliches Handeln sind, zeigt die Analyse eines Gemeinwohl-Spiels mit rund 180 Studienanfängern, das die deutschen und kanadischen Wissenschaftler entwickelt haben. In solchen Spielsituationen beobachten Forscher beispielsweise, unter welchen Bedingungen Menschen sich kooperativ verhalten. In der nun untersuchten Variante konnten die TeilnehmerInnen in mehreren aufeinanderfolgenden Runden wählen, wie viel sie von einem ihnen zur Verfügung gestellten Geldbetrag für sich selbst behalten oder in einen Gruppentopf einbezahlen wollten – ohne dass dies den übrigen Teilnehmern bekannt wurde. Am Ende wurde der Betrag des gemeinsamen Topfes verdoppelt und gleichmäßig unter den Studenten verteilt, egal, wie viel der einzelne dazu beigetragen hatte – zusätzlich zu dem Betrag, den sie für sich behalten hatten.

Solange keiner über das Verhalten der übrigen Teilnehmer des Gemeinwohl-Spiels Bescheid wusste, profitierten die „Egoisten“, die nur wenig in den Gemeinschaftstopf einbezahlten, vom Gemeinsinn der anderen: So zahlten die Spieler von möglichen 72 kanadischen Dollar nur 22 Dollar in den gemeinsamen Topf ein. Mit einer kleinen, aber entscheidenden Änderung gelang es den Wissenschaftlern, den Gemeinsinn zu steigern. Alle Spieler wussten, dass kurz vor Ende des Spiels die zwei Teilnehmer, die zu diesem Zeitpunkt am wenigsten – oder am meisten – Geld in den Gemeinschaftstopf einbezahlt hatten, vor der Gruppe ihre Namen auf eine Tafel schreiben würden unter: „Ich habe am wenigsten/meisten beigetragen.“ Nun stieg die Summe im Topf auf rund 33 Dollar.

Ein positiver persönlicher Ruf kann Menschen also zu mehr Kooperation bewegen. „Unsere Studie zeigt, dass die Bloßstellung als vermeintlicher Egoist dabei genauso eine treibende Kraft ist wie die Ehrung als Altruist (selbstlose Person). Sowohl Scham über das eigene Fehlverhalten als auch Stolz können also den Gemeinsinn fördern“, sagt Arne Traulsen vom Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie.

In den USA ist dieser Effekt in vielen Bundesstaaten schon Teil der Strafe. So werden die Namen von überführten Steuersündern im Internet veröffentlicht. Umgekehrt werben beispielsweise Unternehmen mit ihrer Unterstützung gemeinnütziger Organisationen und nutzen so deren positive Image für ihre Produkte.

Autorin / Autor: Redaktion / Pressemitteilung - Stand: 21. Juni 2011