Der Kampf um Lützerath

Ein Kommentar von Karla

Es nieselt, ist kalt und ab und zu peitscht eine Windböe über das Tagebauvorfeld. Und trotzdem sind da Menschen, so so viele Menschen, die sich alle zusammen für Lützerath und gegen den Klimakiller Braunkohle einsetzen. Wer in den letzten Tagen Nachrichten geguckt hat, ist wohl kaum an dem Thema vorbei gekommen- der Kampf um Lützerath geht in die heiße Phase. Die Aktionsformen sind so vielfältig wie die Gruppen, die sie organisieren. Von Demozügen, über Sitzblockaden, Baggerbesetzungen und dem Ausharren in Baumhäusern bis hin zu Kundgebungen und Konzerten ist eigentlich alles dabei.

Demonstrieren gegen die Kohle

Die Demo am Samstag, den 14. Januar 2023 war mit 35.000 Teilnehmenden unglaublich gut besucht. Es wollten so viele Menschen zur Demo, dass es in Köln und anderen Großstädten in der Umgebung eine Herausforderung war, in den Zug zu kommen. Einige haben vermutlich aufgegeben und trotzdem tummelten sich die Menschen in Keyenberg und vor Lützerath nur so – und ich war mitten unter ihnen. Denn ich will, dass Lützerath stehen und die Kohle unter dem Ort im Boden bleibt. Die Kohle, von der die RWE AG behauptet, dass sie ein Anrecht darauf habe. Die Kohle, für die der Konzern Menschen zwangsumsiedelt und Dörfer zerstört, darf nicht gefördert werden. Denn mit jedem Stückchen Braunkohle, das verstromt wird (also gefördert und verbrannt wird, um Energie zu gewinnen), rückt das 1,5° Ziel in weitere Ferne, schießen wir über diese Grenze, diesen TippingPoint für unser Klima hinaus. Und das macht mir Angst, es macht mich wütend und traurig, wenn ich daran denke, wie leichtsinnig hier mit der Zukunft dieses Planeten umgegangen wird. Mal abgesehen davon, was für eine unglaubliche psychische Belastung es für die Anwohnenden ist, die für einen veralteten, fossilen Energieträger umgesiedelt werden sollen.

All das geht mir durch den Kopf, als ich vor Lützerath im Matsch stehe und auf die Reihen aus Polizist:innen schaue, die sich vor den Demonstrierenden aufbauen. Sie sind zu Fuß oder auf Pferden unterwegs und einige haben wohl auch Hunde ohne Maulkörbe dabei, die sehe ich allerdings nicht mit eigenen Augen. Die Polizei steht da und schirmt ein Spinatfeld und das dahinterliegende besetzte Dorf Lützerath vor den Aktivisti ab. Und unter den grünen Pflänzchen liegt ein ganzer Haufen Konzerninteressen, die all diesen Menschen auf Dauer die Lebensgrundlage entziehen könnte. Die Bilder, die ich an diesem Tag sehe, schockieren mich. Ich bin entsetzt über den großzügigen Einsatz von Schlagstöcken, Pfefferspray und Wasserwerfern und geschockt von blutenden Wunden und tränenden Augen. Wütend bin ich auch auf die Politik. Denn der vorgezogene Kohleausstieg, mit dem die Grünen sich so stolz schmücken, ist in meinen Augen nichts als eine Farce.

Und was sagt die Wissenschaft dazu?

Aber dröseln wir das mal auf: Statt 2038 soll in Deutschland ab 2030 keine Kohle mehr gefördert werden. Das klingt auf den ersten Blick gut, aber leider lenken die Jahreszahlen von anderen, deutlich wichtigeren Zahlen ab - die Menge der zu fördernden Braunkohle. Und die sinkt, laut Berechnungen der Fossil Exit Group und des Aurora Energy Research Instituts, höchstens unmerklich. Die Kohle, die sonst zwischen 2030 und 2038 verstromt werden sollte, wird nun voraussichtlich einfach früher (und dank der aktuell hohen Energiepreise deutlich gewinnbringender) verstromt. Der Energiekonzern RWE verbrennt also aller Voraussicht nach die ursprünglich geplante Menge Kohle in kürzerer Zeit und reduziert demnach auch seinen CO2 Ausstoß um kein Stück. Dem Klima bringt das wenig. In dem Vertrag, den Vertreter:innen der Grünen mit RWE ausgehandelt haben, steht, dass RWE bis 2030 noch 280 Millionen Tonnen Braunkohle verstromen darf. Dabei legt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) nahe, dass RWE ab Januar 2023 (also jetzt) noch maximal 20 Millionen Tonnen Braunkohle verstromen dürfte. Zumindest dann, wenn Deutschland es ernst meint mit dem Pariser Klimaabkommen und der 1,5° Grenze.

Noch ist es nicht zu spät, noch könnte ein Moratorium erwirkt und eine Alternative gefunden werden, statt Lützerath vorsorglich dem Erdboden gleich zu machen. Denn der Kohleausstieg muss nicht nur früher kommen, er muss auch die Menge an zu verbrennender Braunkohle drastisch reduzieren. Bis dahin heißt es weiterhin: Kohleausstieg bleibt Handarbeit. Damit alle Dörfer, Inseln und Wälder bleiben und wir uns nicht kollektiv die Lebensgrundlage zerstören.

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Autorin / Autor: Karla - Stand: 18. Januar 2023