Bitte nicht mitlesen!

Umfrage: Junge Menschen in 13 EU-Ländern lehnen Überwachung von Online-Kommunikation ab

Verschickt ihr manchmal sehr private Fotos von euch? Oder tauscht euch über Themen aus, die sehr intim sind? Was würdet ihr denken, wenn ihr wüsstet, dass jemand - zumindest theoretisch - immer mitlesen und eure Kommunikation auswerten könnte? Die EU möchte Kinder und Jugendliche besser vor sexuellem Missbrauch schützen - auch im digitalen Raum. Dafür möchte sie EU-Rechtsvorschriften dahingehend ändern, dass Anbieter stärker verpflichtet werden, Inhalte von Online-Kommunikation zu überwachen und im Zweifelsfall zugänlich zu machen - etwa Chats und Kommunikation über private Messenger. Gut gemeint, schlecht gemacht, kritisieren viele den Vorstoß, denn er könnte bedeuten, dass die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung wie sie die Messenger Signal und WhatsApp bieten, ausgehebelt wird und möglich gemacht wird, dass Anbieter die Kommunikation an irgendeiner Stelle einsehen können. Außerdem könnte die geplante Verpflichtung zu Uploadfiltern, Alterskontrollen und Netzsperren die freie Internetnutzung stark einschränken, wie Kritiker:innen warnen.

Eine große Umfrage, die von European Digital Rights (EDRi) und Mitgliedern der Piratenpartei im Europäischen Parlament in Auftrag gegeben wurde, zeigt, dass auch Jugendliche, die mit diesen Instrumenten geschützt werden sollen, sich gar nicht wohl dabei fühlen würden, wenn Unternehmen oder Behörden ihre digitale Kommunikation überwachen könnten, um nach sexuellem Kindesmissbrauch zu suchen.

Für die Studie wurden  mehr als 8000 junge Menschen zwischen 13 und 17 Jahren in Frankreich, Deutschland, den Niederlanden, Belgien, der Tschechischen Republik, Spanien, Österreich, Schweden, Italien, Polen, Ungarn, der Slowakei und Griechenland befragt.

Die Ergebnisse

  • 66% der Befragten sind nicht damit einverstanden sind, dass Internetanbieter ihre digitale Kommunikation auf verdächtige Inhalte überwachen.
  • 67 % vertrauen auf verschlüsselte Kommunikations-Apps wie Whatsapp oder Signal.
  • 56 % halten ihre Anonymität für entscheidend für ihren Aktivismus und für die politische Organisation unter Gleichaltrigen.
  • 1 von 3 Befragten nutzt Kommunikations-Apps, Dating-Apps oder andere Apps, um intime Fotos zu versenden.
  • 43 % der Befragten forderten alternative Maßnahmen, etwa die Verbesserung der Medienkompetenz und Aufklärung. 37 % wünschen eine „Verbesserung der Mechanismen, mit denen junge Menschen Fälle von Grooming (sexuelle Belästigung von Kindern und Jugendlichen durch Erwachsene im Netz) melden können, und Gewährleistung einer angemessenen und wirksamen Weiterverfolgung“.
  • Nur 2 % der Minderjährigen sind der Meinung, dass das Scannen der gesamten privaten Kommunikation auf schädliches Material das wirksamste und geeignetste Mittel ist, um sie vor Schaden im Internet zu schützen

Nicht nur die Jugendlichen stehen den geplanten Maßnahmen kritisch gegenüber, auch der Kinderschutzbund zeigt sich keineswegs überzeugt. Er befürchtet eine Überwachungsstruktur, die sich auch für andere Zwecke missbrauchen ließe. Die Sicherheit privater Kommunikation und persönlicher Daten und die Gewissheit, Meinungen und Haltungen und Vorlieben frei und vertraulich zu äußern, seien wesentliche Kinderechte und Grundlagen der Demokratisierung von Kindern und Jugendlichen, heißt es in der Stellungnahme des Kinderschutzbundes.

Kaum positiver fiel die Stellungnahme des Stellungnahme des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit aus. Die sogenannte Chatkontrolle schieße deutlich über das Ziel, die  Bekämpfung des sexuellen Kindesmissbrauchs, hinaus. Sie biete kaum einen größeren Schutz für Kinder, sondern wäre stattdessen Europas und Deutschlands Einstieg in eine unverhältnismäßige anlasslose und flächendeckende Überwachung der privaten Kommunikation.

Als am 1. März der Digitalausschuss tagte und verschiedene Expert:innen zu dem Thema gehört wurden, hagelte es Kritik von allen Seiten. Zumindest in Deutschland findet die geplante EU-Verordnung wenig Zustimmung, aber auch in anderen EU-Ländern regt sich Widerstand. Das Bündnis "Stop Scanning Me", das von 124 europäischen und internationalen Nichtregierungsorganisationen unterstützt wird, sammelt mit einer Petition Unterschriften gegen die Überwachungsinitiative.

Quellen und weitere Informationen im Netz:

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Autorin / Autor: Redaktion / Prerssemitteilung - Stand: 10. März 2023