Alles so schön bunt hier!

Forschung: Das Gehirn füllt Farbe auf, wo sie nicht vorhanden ist.

Bis zu 95% des Bildes konnten entfärbt werden, ohne das die Testpersonen es merkten. Bild: Caroline Robertson

Forscher_innen rätseln schon lange, warum, wie und wie umfangreich der Mensch Farben wahrnimmt. Nun haben Forschende der Universitäten Dartmouth und des Amherst College, die sich mit diesen Fragen beschäftigt haben, eine überraschende Entdeckung gemacht: der Mensch ist vor allem in seinem peripheren Sehbereich (also an den Rändern), ziemlich schlecht darin Farbe zu erkennen bzw. zu erkennen, wenn sie gar nicht da sind. Offenbar entsteht viel von der Farbe, die wir sehen, im Gehirn.

In ihrer Studie hatten die Forschenden Testpersonen mit VR-Brillen und Eye-Trackern ausgestattet, die erfassen, wohin die Augen wandern. So ausgerüstet wurden sie über 360 Grad Bilder echter Landschaften in verschiedene Umgebungen geschickt: Einen Orchestersaal, in eine historische Szenerie, zu einer Tanzperformance auf der Straße. Die Testpersonen konnten ihren Kopf drehen, um ihre Umgebung zu erkunden. Dabei hatten die Forscher*innen es so eingerichtet, dass immer der Ausschnitt des Bildes bunt war, den die Testpersonen direkt ansahen. Dies war dank des Eyetrackers möglich, der erkannte, wo genau hingeschaut wurde. Die Randbereiche des Bildes waren hingegen entfärbt, also komplett schwarz-weiß. Das Überraschende: Den meisten Teilnehmenden fiel das überhaupt nicht auf. Sie waren der Ansicht, das ganze Bild sei bunt gewesen, dabei war es in Wirklichkeit nur ein kleiner Ausschnitt.

Selbst als die Proband_innen in einem zweiten Experiment aufgefordert wurden, darauf zu achten, ob Randbereiche des Bildes entfärbt wären, scheiterten die meisten.

Die Forscher_innen waren sehr überrascht davon, dass sie den Testpersonen in manchen Fällen sogar einer Fläche von bis zu 95% ihres visuellen Wahrnehmungsbereichs die Farbe rauben konnten, ohne dass diese es bemerkten.

Eine der Hauptautorinnen der Studie Caroline Roberts, erklärt: "Unsere Ergebnisse zeigen, dass unsere intuitive Wahrnehmung einer reichen, bunten visuellen Welt größtenteils falsch ist. Unser Gehirn füllt vermutlich einen Großteil unserer Wahrnehmungserfahrung aus."

Jemand, der seinen Augen nicht traut, liegt also offenbar in vieler Hinsicht genau richtig ;-).

Die Ergebnisse wurden im Fachjournal Proceedings of the National Academy of Sciences.

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Autorin / Autor: Redaktion / Pressemitteilung - Stand: 12. Juni 2020