Abschied vom Wachstumsgedanken

Warum es Zeit wird, den Erfolg einer Nation nicht mehr über das Wirtschaftswachstum zu definieren, untersuchte eine Studie der University of Colorado Boulder

Der Erfolg von Gesellschaften und Staaten wird bis in die heutige Zeit daran gemessen, wie stark ihre Wirtschaft wächst. Dass es aber - auch vor dem Hintergrund der Klimakrise - in Zukunft möglicherweise zu einem langfristigen Rückgang des Wirtschaftswachstums kommen kann, damit muss wohl gerechnet werden. Eine neue Studie der University of Colorado Boulder argumentiert sogar, dass es an der Zeit sein könnte, sich nicht mehr so sehr auf das Wirtschaftswachstum als führenden Indikator für den Erfolg einer Gesellschaft zu konzentrieren und plädiert dafür, Sozialkapital und Wohlbefinden vom Wirtschaftswachstum abzukoppeln.

Für Industrienationen wie die Vereinigten Staaten sei das Wirtschaftswachstum seit jeher ein wichtiger Maßstab für den Erfolg und von zentraler Bedeutung für die nationale Identität, so der Hauptautor Matt Burgess, Professor für Umweltstudien und Associate in Economics an der CU Boulder. Das Wirtschaftswachstum wird anhand des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gemessen, das auch von den USA verwendet wird, um ihren Bundeshaushalt auszugleichen. Das Congressional Budget Office geht jedoch davon aus, dass die Verschuldung in den USA in den kommenden Jahrzehnten das BIP übersteigen wird, da sich das Wachstum verlangsamt. Dieser Prozess müsse aber vorbereitet werden, denn eine Verlangsamung des Wachstums könnte Herausforderungen für die soziale Solidarität, für die Chancen und Ungleichheiten, die persönlichen Finanzen (Ruhestand, Ersparnisse), die psychische Gesundheit und das allgemeine Vertrauen in die Regierung mit sich bringen.

Um diese Herausforderungen zu meistern nennt das Papier Schlüsselbereiche, bei denen man ansetzen kann: Stärkung der demokratischen Institutionen, Erhöhung der sozialen Integration und Verringerung der wirtschaftlichen Ungleichheit, das Schließen von Steuerschlupflöchern, Verringerung der Korruption und mögliche Steuererhöhungen sowie Verbesserung der nichtwirtschaftlichen Aspekte des Wohlergehens der Menschen.

Ein Beispiel für die Verbesserung der sozialen Solidarität und die Verringerung der Ungleichheit sieht Burgess zum Beispiel darin, die Gemeinden stärker zu integrieren, anstatt sie nach dem Einkommen der Menschen zu trennen. "Anstatt in einem Ballungsgebiet Sozialwohnungen zu bauen, könnte die Regierung Familien Gutscheine ausstellen, damit sie dort wohnen können, wo sie wollen", so der Forscher. "Dann können die Familien besser in die Gemeinschaft integriert werden. In Experimenten hat sich diese Art von Programm auch bei der Verringerung der generationenübergreifenden Armut als erfolgreich erwiesen."

Die Autor_innen weisen auch darauf hin, dass langsameres Wachstum nicht unbedingt vermieden werden sollte. Denn wie Wirtschaftswissenschaftler_innen bereits festgestellt haben, spiegeln zwei der Hauptursachen für die Verlangsamung des Wachstums - die Alterung der Bevölkerung und die Verlagerung von Gütern zu Dienstleistungen - in Wirklichkeit Verbesserungen des Wohlstands wider.

Wenn wir also das nächste Mal in den Nachrichten hören, dass die Wirtschaft "nicht so stark gestiegen" sei, wie erhofft, dann sollten wir nicht gleich in Panik verfallen, sondern daran denken, dass solche Prozesse mit politisch klugen Ideen aufgefangen werden können und langfristig sogar zu einer glücklicheren Gesellschaft und einem umweltfreundlicheren Umgang mit der Erde führen können.

Quelle:

Was denkst du darüber?

Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 23. November 2021