Endlosschleife Lena im Ohr

Wie entsteht ein Song mit Ohrwurm-Qualität?

Wer den Eurovisions-Gewinner-Song „Satellite" von Lena Meyer-Landrut einmal gehört hat, wird ihn schwer wieder los. Das liegt natürlich zum einen daran, dass er seit Wochen im Radio läuft, aber er hat auch eine typische "Ohrwurm"-Qualität. Wie ein solcher Ohrwurm entsteht und was ihn auszeichnet, hat der Direktor des Instituts für Musik an der Uni Kassel, Prof. Dr. Jan Hemming, untersucht.

„Das Auftreten eines Ohrwurms ist immer unwillkürlich", erklärt Hemming. MusikerInnen können ihn nicht planen, ZuhörerInnen können ihn nicht vorhersehen. Manchmal stellt sich die akustische Endlosschleife im Kopf schon nach einmaligem Hören ein, manchmal erst nach Tagen. Ebenso unmöglich zu kalkulieren ist die Dauer. Bei einer Untersuchung am Kasseler Institut für Musik berichteten einige ProbandInnen, dass der Ohrwurm schon nach einigen Minuten verschwand. Manche wurden aber von der immer wiederkehrenden Melodie im Kopf bis zu drei Wochen heimgesucht.

Widerholungen und einfache, melodische oder harmonische Strukturen

Schon Sigmund Freud befasste sich in seinem Hauptwerk „Die Traumdeutung" mit dem Phänomen. Für den Begründer der Psychoanalyse waren Ohrwürmer das unbewusste Aussprechen von Wünschen. Seitdem haben sich PsychologInnen immer wieder mit dem Phänomen Ohrwurm befasst, ohne zu einer allgemein überzeugenden Erklärung zu kommen.

Der Kasseler Universitätsprofessor erklärt, dass ein Ohrwurm dadurch entsteht, dass professionelle Songwriter gezielt versuchen, eingängige Elemente und Passagen in ihren Liedern einzusetzen. Diese so genannten Hooks sollen den Wiedererkennungswert und so letztlich den Erfolg eines Songs steigern. Eine „Ohrwurmformel" aber lässt sich daraus nicht ableiten, betont der Kasseler Forscher: „Wiederholte einfache melodische oder harmonische Strukturen sind möglicherweise notwendige, aber nicht hinreichende Bedingungen, damit aus einer Phrase ein Ohrwurm wird."

Ohrwürmer entstehen in Alltagssituationen wie zum Beispiel Abwaschen

Nach den Untersuchungen des Kasseler Musikforschers entstehen Ohrwürmer zu mehr als 70 Prozent in Alltagssituationen wie Abwaschen und Aufräumen beziehungsweise in Leerlauf- und Wartephasen. Dagegen entstehen sie nur selten, wenn der Betroffene geistig oder seelisch stark angespannt ist. Hemming geht davon aus, dass Ohrwürmer geradezu als Reaktion auf Leerlaufphasen unseres Gehirns entstehen. Möglicherweise reagiere das Gehirn damit auch auf die schlichte Abwesenheit von Musik. Sind wir mit einem bestimmten Song gut vertraut, so erhöht dies die Chancen des Musikstücks, zum Ohrwurm zu werden. In einer Versuchsreihe am Kasseler Institut für Musik zeigte sich, dass 60,5 Prozent der Stücke, die sich bei den ProbandInnen zum Ohrwurm entwickelten, den Betroffenen bereits bekannt waren. 24,4 Prozent der Stücke, die sich zur musikalischen Endlosschleife entwickelten, waren für die Probanden dagegen neu. Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt offenbar der Text. So waren bei der Kasseler Testreihe drei der fünf eingängigsten Titel, Lieder mit deutschen Texten, während reine Instrumentalstücke nur selten Ohrwurmstatus erreichten.

Ein Ohrwurm entsteht vor allem bei Titeln, die den ZuhörerInnen persönlich gefallen. Es ist aber auch das krasse Gegenteil zu beobachten: Menschen bekommen ein Musikstück nicht mehr aus dem Gehörgang raus, obwohl es sie nervt, berichtet Hemming: „Möglicherweise wird Musik immer dann unbewusst und unwillkürlich memoriert, wenn sie parallel zum Hören mit einer starken positiven oder negativen Bewertung verbunden wird."

Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 7. Juni 2010