Freundschaft wichtiger als Ähnlichkeit

Hirnforscher: Soziale Nähe übertrumpft Überzeugung

Hand auf´s Herz: Zu wem haltet ihr in einer Diskussion über Rassismus, Atomkraft oder andere brisante Themen, die euch nahe gehen? Zu eurem politisch Gleichgesinnten, der euch schon auf sämtlichen Demos zur Seite stand oder zu eurer besten Freundin, die zwar politisch so absolut gar nicht zu euch passt, aber die ihr über alles lieb habt? Wenn ihr nun ganz ehrlich antwortet: "Freundin", aber euch dabei wie eine politische Verräterin vorkommt, vergesst das schlechte Gewissen schnell, denn ihr könnt nicht anders. Schuld ist mal wieder das menschliche Gehirn. Es ist nämlich so beschaffen, dass es eher auf FreundInnen reagiert als auf Fremde, selbst wenn ihr mit dem Fremden mehr gemein habt. Das ergab jetzt eine Studie, die heute im Journal of Neuroscience veröffentlicht wurde. Die ForscherInnen hatten eine Hirnregion untersucht, die als Verarbeitungszentrum für soziale Informationen bekannt ist und dabei herausgefunden, dass uns menschliche Verbindungen wichtiger sind als gemeinsame Interessen.

Fenna Krienen und Randy Buckner von der Harvard University nahmen in der Studie den medialen präfrontalen Kortex und die damit verbundenen Hirnregionen unter die Lupe und beobachteten, welche Signale dort ausgesendet werden, wenn wir in einen zwischenmenschlichen Dialog treten. Krienen und ihre Kollegen fragten sich, ob diese Hirnregionen eher auf Menschen reagieren, die uns nahe stehen oder auf jene, mit denen wir unsere Interessen teilen.

"Sowohl aus psychologischer als auch evolutionärer Sicht ist es verständlich, dass soziale Faktoren wie Gleichartigkeit und Nähe im menschlichen Gehirn einen Sonderplatz bekommen, damit wir zum Beispiel Insider und Outsider oder Verwandte und Nicht-Verwandte schneller erkennen", sagte Krienen. "Allerdings legen diese Ergebnisse nahe, dass die soziale Nähe viel wichtiger ist als die soziale Ähnlichkeit. Das hatten wir bisher nicht so gesehen."

Die Versuche

Die ForscherInnen legten 32 TeilnehmerInnen eine Liste mit Adjektiven vor, die ihre Persönlichkeit beschrieben. Während sie beurteilen sollten, wie gut sie selbst getroffen waren, wurden ihre Gehirnaktivitäten fotografiert. Dies sollte diejenigen Hirnregionen identifizieren, die auf persönlich relevante Informationen reagieren.

In weiteren Experimenten erstellten 66 verschiedene TeilnehmerInnen persönliche Informationen über sich selbst und zwei Freunde - einer davon sollte ähnliche Vorlieben haben, der andere sollte ungleich sein. Daraus erstellten die StudienautorInnen Biographien über gleiche und ungleiche Fremde, die zum Profil der Freiwilligen passten. Dann ließen sie die ProbandInnen ein Spiel spielen, in denen die sie vorhersagen sollen, wie eine andere Person eine bestimmte Frage beantworten würde (zum Beispiel würde ein Freund oder Fremder lieber einen Gang- oder Fensterplatz in einem Flugzeug wählen?).

In den Gehirnscans beobachteten die ForscherInnen, dass sich die Aktivität im medialen präfrontalen Kortex erhöhte, wenn die Befragten über ihre Freunde sprachen. Bemerkenswerterweise geschah aber nichts, wenn sie über eine Person sprachen, die ihre Interessen teilte.

"In allen Versuchen war es immer die Nähe und nicht die Ähnlichkeit, die Reaktionen in den medialen präfrontalen Hirnregionen auslöste", sagte Krienen. "Die Ergebnisse legen also nahe, dass bei der Bewertung anderer soziale Nähe wichtiger ist als gemeinsame Überzeugungen."

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Autorin / Autor: Redaktion / Pressemitteilung - Stand: 13. Oktober 2010