Der Blick in die Zukunft

Einsendung von Ida Hein, 12 Jahre

Es ist jetzt schon acht Jahre her, seitdem Memory bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam. Früher zu Lebzeiten empfand sie die Welt noch als viel schöner, die Wälder waren grün und das Wasser blau und klar…Memory wollte viel erreichen und hatte große Träume.
Heute sieht die Welt anders aus.
Damals hatte sie sich dafür eingesetzt, dass Atomkraftwerke abgestellt und der Konsum von Klamotten, Spielzeugen und Autos minimiert wurde.
Doch jetzt kann sie nichts mehr ändern, da sie ein Geist ist.
Sie hat keinen Körper, trotzdem kann Memory durch die ganze Welt fliegen und sehen, wie sie sich verändert. Sie sieht viel Schlimmes, wie zum Beispiel, dass die Meere durch Öl und Plastik verschmutzt werden, Meerestiere aussterben, Eisbären auf einem Quadratmeter Gletschereis treiben und wie Wälder jedes Jahr abbrennen.
Als Geist kann sie jedoch nichts ändern.
Eines Tages ist Memory in Peking unterwegs und fliegt durch den Old Free Tower, der vor zwei Jahren bei einem Brand zusammengestürzt ist und seitdem auch nicht mehr angerührt wurde.
Plötzlich sieht sie etwas Goldenes aufblitzen.
Unter den Trümmern liegt eine goldene Uhr.
Memory erkennt, nachdem Memory sie die geheimnisvollen Schnörkel und Schriften gesehen hat, dass es sich hier um eine Zeitreiseuhr handelt. 
Memory lernt schnell mit der Uhr umzugehen und versucht ins Jahr 2032 zu gelangen. Die Uhr rattert, macht komische Geräusche. Vor ihren Augen dreht sich alles immer schneller, bis sie nur noch schwarzsieht.
Nach ein paar Sekunden strahlt graues Licht in Memorys Augen.
Vor ihren Augen bildet sich wieder ein volles Bild.
Memory schaut an sich hinunter.
Sie hat wieder einen normalen Körper mit Klamotten. Es sind die Klamotten, die sie auch am Tag des Absturzes getragen hatte.  Zwar hat Memory nun die gleiche Form des Menschen wie andere, aber trotzdem ist sie immer noch tot.
Sie kann sprechen und sich auch bewegen. Doch keiner hört sie, obwohl sie vielen Menschen begegnet. Sie läuft stundenlang herum und ruft verzweifelt wahllos umher, ob sie jemand hören könne. Aber es hilft nichts.
Es kommt leider keine eine Antwort von den Menschen, bis plötzlich ein junger Mann auf sie aufmerksam wird.
Memory wiederholt ihre Worte und der Mann kommt auf sie zu.
Es scheint, als würde der Mann sie verstehen. Tatsächlich kann der große Mann, der einen Hipster-Bart trägt, sie hören und auch sehen. Er wirkt vertrauenserweckend, führt sie in sein Büro an der Nähe des Stadtrandes.
Das Büro ist mit vielen alten und großen Zeitreisebüchern und Uhren vollgestopft. Es stellt sich heraus, dass der Mann auch ein Zeitreisender ist und sie sich deswegen auch verständigen können. Er selber ist aber nicht tot und kann sich deswegen auch mit normalen Menschen verständigen.
Memory erzählt ihm von ihrer Geschichte und was sie ändern möchte. Die beiden schmieden einen Plan, um die Menschen aufmerksam zu machen.
Zusammen reisen sie mit der Uhr in die Zukunft – in das Jahr 2103. Dies ist die Zukunft, wie sie aussehen würde, wenn die Menschen einfach so weiter machen. Dabei haben die beiden eine Kamera, um zu filmen, wie es dort aussieht.
Sie planen Interviews mit verschiedenen Menschen zu machen.
Als sie in der Zukunft ankommen, können sie nur noch sehr schwer atmen. Der Himmel ist grau, keine Bäume und keine Menschen sind draußen zu sehen.
Die ersten Aufnahmen werden gemacht.
In einer kleinen, weißen Hütte finden sie einen zierlichen, zusammen gesunkenen alten Mann. Er erzählt ihnen, wie schlecht es ihm geht, dass er keine Arbeit hat und wenig zu essen. Er hat keine Freude mehr, denn alles ist grau. Die Pflanzen sind vertrocknet oder verbrannt. Die Menschen können keine Landwirtschaft betreiben und Nahrungsmittel anbauen. Nahrung kommt nur noch aus Konserven und ist begrenzt. Vermutlich können die übrigen Menschen nur noch ein paar Jahre davon leben.
Von einer jüngeren Frau erfahren sie, dass ein Teil der Kontinente überschwemmt worden ist, ein anderer Teil verdorrt oder durch Buschfeuer verbrannt ist. Die Menschen mussten auf dem letzten Rest bewohnbaren Land zusammenrücken. Viele Menschen sind verstorben durch Rauchvergiftung oder durch die mit Abgasen vergiftete Luft.
Die noch verbliebenen Menschen sind Egoisten und jeder kämpft für sich um sein eigenes Überleben. Die Armut spielt eine große Rolle in dieser Zeit, wie sie bei verschiedenen Interviews hören. Außerdem ist ein Teil der Menschen ziemlich dick. Sie machen keinen Sport und haben keine Beschäftigung.
Der arme Teil der Menschen ist dürr und hat zu wenig Nahrung.
Nachdem viele Aufzeichnungen, Interviews und Filme gemacht sind, reisen die beiden wieder ins Jahr 2032 zurück. Da der zeitreisende Mann sich sehr gut mit Computern auskennt, können sie den Film im Internet hochladen, verstreuen ihn über mehrere Plattformen und Nachrichtenportale. Es ist alles vorbereitet, die Aktion kann starten, er drückt auf den Startknopf und der Film beginnt…
Der Mann spricht die Einleitung in ein zierliches Mikrofon und seine Stimme zittert, sobald er bemerkt, dass in allen Kinos der Welt die Filme abgebrochen werden, jeder Fernseher, jedes Radio, jeder Bildschirm zeigt den Film aus der Zukunft. Die Welt hört ihm zu, ihm, der davon erzählt, was es mit den Aufnahmen auf sich hat. Ein ungewöhnliches, kribbelndes Gefühl.

Die Menschheit hörte dem Zeitreisenden gespannt zu, keine Frage, diese Bilder stammten aus der Zukunft, da waren sich fast alle drüber einig.
Leider hielt es die eine Hälfte der Menschen nur ein paar Monate durch, sich zu bessern. Die andere Hälfte schaltete direkt nach der Ansprache des Zeitreisenden ihre Geräte ab, dann drehten sie sich um, als sei nichts gewesen.

Memory und der Zeitreisende erlebten noch das Jahr 2103, mit ihrem letzten Atemzug sahen sie, wie die Menschheit ausstarb – sie starben als letzte ihrer Art.

Autorin / Autor: Ida Hein, 12 Jahre