Die rosarote Brille

Einsendung von Nelly Gindorf, 13 Jahre

Das Wort „Wandel“ lässt sich vielfältig interpretieren. Es ist eins von den Wörtern, mit denen man sowohl positiv, als auch negativ eine Situation treffend beschreiben kann. Man kann auch nur aus dem Zusammenhang, in dem es verwendet wird, erkennen, ob sich nun etwas langsam oder rasch zum Guten beziehungsweise zum Schlechten wandelt. In der Geschichte dieses Planeten hat und wird sich auch noch in Zukunft sehr viel wandeln. Wir werden allerdings niemals erfahren können, inwiefern sich unsere Taten auf die Zukunft auswirken werden. Als Beispiel eines Wandels, der noch gar nicht so weit zurückliegt, kann man die französische Revolution im Jahre 1789 nennen. Für uns heute mögen 230 Jahre eine lange Zeit sein, aber in der gesamten Geschichte sind 230 Jahre fast nichts. Die Bürger Frankreichs waren sich des Ausmaßes des durch sie herbeigeführten Wandels gar nicht bewusst. Heute denken viele Berühmtheiten, sie hätten sich einen Platz in der Menschheitsgeschichte gesichert, dabei wird ihr Ruhm unmittelbar nach ihnen sterben, denn nicht die Menschen hinterlassen die ewigen Spuren im Gestein der Geschichte, sondern deren Taten. Es ist also unmöglich als Mensch in Erinnerung zu bleiben, wenn du nicht etwas getan hast, was auch, wenn es vergessen scheint, Spuren in der Entwicklung hinterlassen hat. Traurig aber wahr, als Mensch bist du für die Zukunft völlig irrelevant, das heißt nicht, dass dein Leben sinnlos ist, nein auf keinen Fall, denn alles hat seinen festen Platz. Leider ist es so, dass die Menschen, die etwas verändert haben, meist erst nach ihrem Tod die Anerkennung zugesprochen bekommen, die sie auch schon zu Lebzeiten verdient hätten. Erst im Nachhinein wird sichtbar, wie stark die Handlungen der Vergangenheit unbewusst die Zukunft beeinflussen.

Wir Menschen haben die Möglichkeit, die Zukunft dieser ganzen Erde zu bestimmen und nach unseren Wünschen zu verändern, nur kann der Großteil der Bevölkerung mit dieser Verantwortung nicht viel anfangen und nimmt sich solche Sprüche wie „Lebe im hier und jetzt“ als Lebensmotto. Im „hier und jetzt“ zu leben meint, völlig egoistisch gegenüber anderen zu leben, keinerlei Verantwortung für die Zukunft zu tragen. Im Moment wird ganz besonders deutlich, wohin uns diese Denkweise in den letzten Jahrzehnten gebracht hat.

„Fortschritt um des Fortschritts willen“, halte ich genauso wenig für angebracht, wenn man bedenkt, wie tief der Abgrund ist, vor dem wir gerade stehen und dessen Tiefe wir uns gerade erst bewusst werden, jener Abgrund, der vom „Fortschritt um des Fortschritt Willens“ und dem „Leben im hier und jetzt“ der Generationen erschaffen wurde. Die Generationen vor uns wollten genauso wenig an die Zukunft denken wie wir es nun wollen und diese Gesellschaft lernt nicht aus den vielen Fehlern der Vergangenheit, sondern führt viele davon weiter fort. Ist die Begründung der Menschen für ihre Verantwortungslosigkeit nicht, dass sie die Folgen ihres grenzenlosen Egoismus nicht mehr mitbekommen würden? Für sie ist es selbstverständlich, die eigenen Probleme und die unserer Vorgänger unseren Nachkommen weiterzugeben. Über Generationen wird der Berg aus Problemen immer größer werden und unter dessen Last werden die zukünftigen Generationen irgendwann erdrückt werden. Das sind die schrecklichen Erblasten der Menschheit: Grenzenloser Egoismus und Probleme.

Wir selbst haben den Untergang unserer Welt herbeigeführt und anstatt den bald drohenden Sturz in jenen Abgrund zu verhindern, setzen wir uns diese lustige rosarote Brille auf und balancieren ganz nah am Abgrund entlang, ein falscher Schritt und die Menschheit stürzt in diese Tiefe und wird dann nicht mehr im „Hier und Jetzt“ leben können, weil es dann weder ein „Hier und Jetzt“ noch ein Morgen gibt. Während die Menschheit stürzt, rutscht ihr vielleicht die rosarote Brille ein Stück von den Augen und sie sieht, wie tief der Abgrund, der durch diese Brille doch nur einige Zentimeter tief gewirkt hatte, wirklich ist. Diese Brille, durch die man eine völlig falsche Wahrnehmung der Realität vermittelt bekommt, wird vielen schon vom Kindesalter an aufgesetzt und nie mehr abgenommen. Zum Glück gibt es auch noch Menschen, die am Abgrund stolpern und endlich sehen, wie die Realität aussieht. Jene Menschen, jene „Wissenden“ wollen natürlich ihre Mitmenschen vor dem Sturz bewahren, aber natürlich lässt die passgenaue Brille sich nicht bei allen abnehmen. Stattdessen wirkt es durch die rosaroten Gläser so, als wären sie Verrückte, denen man besser kein Gehör schenken sollte. 

Vielleicht sollten wir uns erst einmal klar werden, dass wir in der Evolution nur ein sehr kleiner Schritt sind, nicht unsere Taten sind der „Fortschritt um des Fortschrittswillen“, nein, wir sind nur ein Zwischenschritt der Evolution, nur „Fortschritt um des Fortschrittswillens“ und in ein bis zwei millionen Jahren wird es die Art des Menschen so nicht mehr geben. Die Menschen sind von Natur an neugierig, fast vergleichbar mit kleinen Kindern, nur, dass diese sogar fast noch schlauer sind, denn wenn das Kind seine Hand einmal auf die heiße Herdplatte gelegt und sich verbrannt hat, hat es in den meisten Fällen daraus gelernt und wird es nicht wieder tun. Wir Menschen haben uns aber schon so oft verbrannt und scheinen nicht daraus zu lernen, wir lernen einfach nicht, dass es Dinge gibt, von denen wir lieber die Finger lassen sollten, aber vermutlich sind unsere Finger einfach schon so verbrannt, dass wir den Schmerz nicht mehr spüren. Ein konkretes Beispiel dafür ist der Klimawandel. Der Mensch zerstört sich selbst seinen  Lebensraum, nimmt sich die lebensnotwendigen Ressourcen, da er der Meinung war, über den Dingen zu stehen. Die Menschen haben begeistert und eifrig die Grube gebuddelt, in die sie schlussendlich selbst hineinfallen. Wie wäre es also damit, als die Generation in Erinnerung zu bleiben, die das Ende der Welt abgewendet hat, anstatt als die, die es herbeigeführt hat?