Macht Lesen in Gesellschaft kreativer?

Studie zum Sprachverständnis in verschiedenen sozialen Situationen

Habt ihr schon mal bemerkt, ob es einen Unterschied gibt, je nachdem ob ihr alleine oder in Gesellschaft lest? Abgesehen von Geräuschkulissen oder anderen Unterbrechungen, die uns oberflächlich gesehen ablenken, scheinen wir generell Sprache unterschiedlich zu verarbeiten, je nachdem, ob wir allein oder zusammen mit einer anderen Person lesen. Dies geht aus einer Studie hervor, die von Forschenden der Universität Complutense Madrid und des Gesundheitsinstituts Carlos III durchgeführt wurde.

*Allein oder in der Gruppe*
Für die Studie sollten die Teilnehmenden Texte lesen, die bestimmte Fehler in Satzbau und Bedeutung enthielten. Die eine Hälfte las in einer Situation, in der sie allein waren und die andere Hälfte in Gesellschaft. Um die Auswirkungen der zwei verschiedenen Settings auf das Sprachverständnis zu vergleichen, maßen die Forscher_innen die elektrische Hirnaktivität während des Lesens mittels Elektroenzephalographie (EEG). Dabei stellten sie fest, dass jene, die in einer Gruppe gelesen hatten, mehr Aktivität im Präkuneus aufwiesen, einem Hirnareal, das an der Verarbeitung von sozialen und Aufmerksamkeitsreizen beteiligt ist. Darüber hinaus war ihr Sprachverständnis umfassender und integrierter als das der allein lesenden Personen.
Daraus schließen die Wissenschaftler_innen, dass unsere Sprachverarbeitung beim Lesen in Gesellschaft ganzheitlicher, kontrollierter und sogar möglicherweise kreativer ist.

*Und was geschieht beim Lesen in Abgeschiedenheit?*
Die elektrische Hirnaktivität bei allein lesenden Personen zeigte dagegen ein Muster, das für eine eher automatische Informations-Verarbeitung charakteristisch ist. "Wenn wir alleine lesen, ist unsere Sprachverarbeitung algorithmischer, d.h. automatischer, begrenzter und unterliegt Regeln", erklärte Laura Jiménez Ortega, eine Forscherin in der Abteilung für Psychobiologie an der UCM und dem UCM-ISCIII-Zentrum für Evolution und menschliches Verhalten. Die durch die aktuelle Coronavirus-Pandemie verursachte soziale Isolation habe viele Forschende dazu veranlasst, die Perspektive zu wechseln und mehr Forschung über soziale Aspekte des Verhaltens und des Sprachverständnisses zu betreiben.

"Angesichts der Tatsache, dass das In-Gesellschaft-sein ein kreativeres und integrierteres Verständnis begünstigt, während Isolation zu einer detaillierteren und systematischeren Verarbeitung führt, müssen wir anfangen, mehr über die Auswirkungen der sozialen Interaktion in der Forschung, in der Ausbildung und im beruflichen Umfeld nachzudenken, wo das Sprachverständnis von grundlegender Bedeutung ist", schloss Jiménez Ortega.

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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung