Zwei Welten

Einsendung von Madeleine Matzer, 19 Jahre

Oft habe ich das Gefühl, dass die Welt, die wir Menschen uns aufgebaut haben, nur Trug und Schein ist. Wir werden kontrolliert von unsichtbaren Linien, von farbigem Papier und von Personen, die in vielen Fällen zu Gunsten ihrer selbst regieren und nicht zu Gunsten der Allgemeinheit. Grenzen, Geld, Regierungen, diese Dinge fühlen sich für mich wie Gegebenheiten an, die schon ewig existieren und unveränderbar sind. Sie wirken beinahe wie Naturphänomene, wie beispielsweise der Sonnenaufgang. Mit Geld zu zahlen, einen Reisepass dabei zu haben, Gesetze zu befolgen, diese Dinge fühlen sich an wie der Sonnenaufgang. Denn ich kann sie nicht ändern. Und ich denke auch nicht darüber nach sie zu ändern. Ich komme nicht einmal auf die Idee, dass ich sie ändern könnte. Denn sie waren ja schon immer so.

Wir Menschen haben ein System geschaffen, es immer weitergesponnen und es dicht mit uns verwoben und das für sehr lange Zeit. In diesem System befinden sich zahlreiche Dinge, die für uns sinnvoll und überlebenswichtig wirken. Vor allem Geld. Ohne Geld kann man nicht leben. Aber es ist keineswegs so, dass wir ohne buntes Papier nicht leben können, sondern dass wir ohne die Ressourcen unseres Planeten nicht leben können, und die kosten nun mal Geld. Wir sehen nur die Geschäfte, Verkäufer und unser Geld. Wir denken nicht einmal daran, dass alles was wir besitzen ein Geschenk ist, denn wir bezahlen ja dafür mit Geld. Aber wer bezahlt den Planeten? Wer kümmert sich um die verjagten und getöteten Lebewesen? Wer verhindert die Zerstörung? Das Geld bestimmt nicht.

In diesem Fall fühlt es sich so an als ob beinahe alles, was wir Menschen je erdacht und erfunden haben, nur zu unseren eigenen Zwecken dient. Die Welt aus Schall und Rauch, aus Status und Luxus erscheint uns so viel näher, so viel verständlicher als die Ereignisse an weit entfernten Orten. (Mit Luxus meine ich in diesem Fall nicht eine Villa und einen Ferrari zu besitzen, sondern in einem Zuhause mit genug Essen in einem friedlichen Land zu leben.) Es ist einfach für uns gut zu leben und den Preis dafür zu vergessen. Ein Leben in unserer Welt der Illusionen ist angenehm, so angenehm, dass wir vergessen, dass wir immer noch auf einem Planeten leben, der von jeder unserer Handlungen beeinflusst wird. Was sind Wirtschaft, Status und Reichtum, wenn wir dafür den Boden zerstören, auf dem wir leben? All diese Dinge gibt es nur auf Papier, Bildschirmen und in unserem Kopf. Es gibt sie nur in unserer kleinen Welt, in unserem riesigen System.

Wirtschaft ist ein Märchen. Status ist eine Illusion. Reichtum ist eine Lüge. Das ist unsere Welt aus Trug und Schein. Sie hat zahlreiche Nachteile, und dennoch ist es das, wofür wir Menschen uns entschieden haben, und sogar für Personen wie mich ist es auch oft eine schöne Welt. Ich habe kein grundsätzliches Problem damit, dass Leute gerne viel Geld haben und ihren Reichtum durch teuren Kaffee, teure Autos, teures Gewand und teure Marken zum Ausdruck bringen wollen. Ich habe nur ein Problem damit, dass sich diese Zurschaustellung überhaupt nicht mit unserer aktuellen Lage vereinbaren lässt. Es macht mich wütend, dass diese Welt aus Schall und Rauch so vielen Menschen wichtiger ist als die reale Erde, auf der wir leben. Wer verzichtet auf ein Statussymbol wie ein tolles Auto, nur weil die Materialien auf umweltschädliche Weise abgebaut werden? Wer verzichtet auf Marken-Kleidung, nur weil sie von Kindern in weit entfernten Ländern produziert wird? Wer verzichtet auf Fleisch, nur weil Tiere leiden und Wälder abgeholzt werden? Was sind Leid, Ausbeutung und Zerstörung im Gegensatz zu Konsum, Genuss und Prestige?  Sehr viel oder besser gesagt alles. Für mich und viele andere sind die Lebewesen und Zustände, welche so oft beim Einkauf und beim Shopping verdrängt und vergessen werden einfach alles. Auch ich esse manchmal Fleisch. Auch ich werde manchmal bei einem schönen Kleid einer Modekette schwach, aber ich versuche mein Bestes, das nicht zu tun. Ich möchte das Leid, die Ausbeutung und die Zerstörung nicht verdrängen oder vergessen. Ich möchte auf meine Weise dagegen ankämpfen. Und ich will die Erde, diesen wundervollen Planeten, der mir mein Leben und alles was ich besitze, geschenkt hat, beschützen. Also werde ich sie weiterhin über die von uns erschaffene Welt stellen. Jeden Tag, so gut ich kann.

Autorin / Autor: von Madeleine Matzer, 19 Jahre