„Social Distancing“ aus mathematischer Perspektive

Prof. Dr. Martin Skutella von der TU Berlin erklärt die Zahlen hinter dem Phänomen

Da es zurzeit noch keinen Impfstoff, zu wenig Testverfahren und schon schon gar keine Medikamente gegen das Coronavirus Covid19 gibt, scheint das momentan einzige Rezept „Social Distancing“, also das Zurückfahren von sozialen Kontakten zu sein. Zwar kennen wir inzwischen alle das Schlagwort, aber was bedeutet es eigentlich genau? Und warum müssen wir das alle machen? Dahinter steckt im wesentlichen Mathematik. Am Beispiel von Social Media erklärt Prof. Dr. Martin Skutella, Professor für Mathematik und Informatik an der TU Berlin, die Mathematik hinter dem gesellschaftlichen Phänomen.

Nimmt man als Beispiel das Video, das Martin Skutella zu dem Thema in seinem Homeoffice gedreht hat (siehe unten), funktioniert die Rechnung wie folgt: Er schickt das Video an zehn seiner Studierenden. Von diesen zehn liken vier das Video und diese vier schicken es jeweils wiederum weiter an zehn Studierende. Von jeder Zehner-Gruppe liken es wiederum vier, schicken es weiter an zehn und immer so weiter… „Dann hätte das Video innerhalb von zehn Tagen über eine Million Likes. In der Sprache der Social-Media-Community: Das Video geht viral“, so Martin Skutella.
Mathematisch wird diese Entwicklung durch eine geometrische Summe beschrieben: Nach n Tagen hat das Video 1+q+q2+q3+……..+qn = (qn+1 -1)/(q-1) Likes. Dabei bezeichnet q die Anzahl der Likes, die jeder Like am nächsten Tag nach sich zieht.

Was würde aber passieren, wenn die Studierenden nicht ganz so mitteilungsfreudig wären und jede_r das Video jeweils nur an fünf anstatt an zehn Personen weiterleitet und von denen jeweils nur zwei anstatt vier es liken würden? Wenn die Studierenden also virtuelles „Social Distancing“ betreiben würden?

„In dem Fall gäbe es zwar immer noch ein sogenanntes exponentielles Wachstum. Aber die magische Grenze von einer Million Likes würde eben erst nach 20 Tagen und nicht schon nach zehn erreicht“, erklärt Skutella. „Genau das versuchen die Behörden aktuell durch den Aufruf zu erreichen, soziale Kontakte soweit wie möglich zu vermeiden. Der Virus wird sich weiterverbreiten, aber eben langsamer. Damit erhält unser Gesundheitssystem wertvolle Vorbereitungszeit.“

Wenn ihr also bei den ganzen Distanzierungsversuchen manchmal Zweifel hegt, vergegenwärtigt euch die Formel immer mal wieder zwischendurch, damit ihr wisst, warum ihr euch nicht einfach so in Gruppen treffen könnt.

Hier das Video

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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 25. März 2020