Eilsendung aus Paris

von Katja Schubel

Und auf einmal stehst du da und du siehst so überraschend gut nach dir aus. Durch die Tür in meine Arme gefallen, mein Spiegelbild im Glas sieht mit dir zusammen gar nicht mehr nach mir aus. Die Distanz überwunden bleiben keine Fragen ungestellt und doch sage ich kein Wort, denn dein Blick erklärt mir auch so die Welt. Wir fallen immerzu in das Gestern, weil die Vergangenheit die Kulisse mit beschreibt, in der wir nun zusammen wissen, was mal war wird wieder sein. Wiedervereint, knien wir uns (ganz kurz) in die Zukunft.
Ja, ich will nicht glauben, was ich sehe, bis ich es anfasse. Will nicht fühlen, was ich nicht verstehe, will dich nur anlachen. Und doch spüre ich wie die Tränen kommen, wie das Leben wird, wie die Zeit stehen bleibt. Irgendwoher kommt Klaviermusik, die der Unwirklichkeit im Wirklichsein gleicht.
Manchmal sind Menschen die besseren Wunder, für Sekunden schmecken Farben nach Wärme und Minuten nach Mehr. Nach Meer, nach Wellen der Unglaublichkeit. Ich hab dich nicht erwartet, du uns schon. Hast mir kein Wort gesagt, so rede ich drauf los. Dass das nicht wahr sein kann, dass das nicht echt ist. Dass du nicht da sein kannst - dass das ungerecht ist, dass ich das nicht glaube, findest du.
Und plötzlich stehst du also da und du siehst überraschend gut nach dir aus. Tatsächlich bist du echt, als ich dich berühre geht auch nicht die Tür auf. Kein Kamerateam kommt um die Ecke, du bist keine Attrappe, keine Falle, in die ich tappe, nein: Wir wiegen uns in dem Zusammensein aneinandergedrückt im Wir. Und obwohl ich spüre, dass du da bist, hab ich das Gefühl, ich kann dich nicht loslassen, will dich nicht gehen lassen, nicht das Uns verpassen, kein Stück davon. Will dich ganz kurz nur festhalten für eine unendliche Weile verweilen wir stumm. Und um uns herum drehen sich die Köpfe, köpfen sich die Blicke, überdrehen sich die Noten, der Musik im Hintergrund. Ich höre nichts und ahne doch: Ich muss dich loslassen, ich umarm´ dich immer noch.
In grauer Eintönigkeit begegnete mir der Donnerstag, der Schnee längst geschmolzen, was bleibt sind der Wind und die Kälte, die er mit sich bringt, als ich in Eile und Verspätung zu meiner Verabredung ging. Sie sitzt da, wie bestellt, in unserem Cafe, zwischen Kerzenlicht und Tee: Doch das andere Du, dich habe ich nicht erwartet, der Schock sitzt tief und er riecht so gut. Riecht nach Vertrautheit und gemeinsamen Erlebnissen. Riecht nach dir, so sehr nach dir. Und nach dem Wir, ganz kurz, ganz weit.
Ein unschuldiger Augenblick und schon vergeht die Zeit, es ist so weit: Ich muss dich gehen lassen, wieder. Ganz ungläubig schau ich dir hinterher, weil dass du gehst, heißt, dass du da gewesen bist. Und ich hab dich so vermisst.