Ein Brief an die, die etwas verändern wollen

Beitrag zum Kreativ- und Schreibwettbewerb "Das ist mir was wert" von Nazan Yilmaz, 15 Jahre

Was heißt es heutzutage noch richtig zu leben? Leben wir oder existieren wir einfach nur? Oder haben wir den Glauben aufgegeben? Den Glauben auf eine richtige Zukunft, ohne Konflikte, ohne Diskriminierung, ohne Hass und ohne Krieg. Die meisten denken, dass Jugendliche sich darüber wahrscheinlich keine Sorgen machen. Eher machen sie sich Gedanken um ihre Klamotten oder ihr Liebesleben. Und das ist eigentlich normal. Wir als Kinder sollten uns keine Sorgen über die Politik machen. Wir sollten keine Angst vor einem Krieg haben. Oder Angst vor Ausgrenzung. Eigentlich sollte das niemand haben. Aber das Problem heutzutage ist, dass wir genau diese Sorgen haben. Wir denken, dass die meisten Menschen unsere “kindischen” Probleme gar nicht wahrnehmen. Aber wie genau sollen wir dann damit weiterleben? Mit dieser ständigen Angst, dass sich nichts ändern wird. Der Klimawandel geht weiter, Frauen werden weiter respektlos behandelt, und wenn man das gleiche Geschlecht liebt, wird man beleidigt. Wie sind wir so weit gekommen? 

Das frage ich mich eigentlich relativ oft. Mein Umfeld hat mich zu der Person gemacht, die ich heute bin. Ich bin jedem dankbar, der bisher in meinem Leben war. Es gab Zeiten in meinem Leben, wo ich alles aufgeben wollte, nur weil ich alleine war. Und jetzt habe ich gemerkt, dass man sein Wohlbefinden nicht von anderen abhängig machen sollte. Und das sollte jeder wissen. Egal, wie sehr man jemanden will, man sollte seinen eigenen Wert nie vergessen. Wenn man sich während der Suche nach Liebe selber verliert, bringt es einem nichts. Und ich gebe zu, ich war nicht immer die beste und habe selber viele Fehler begangen. Und mit diesen Fehlern habe ich Menschen in meinem Leben verletzt, die ich eigentlich nie verletzten wollte. Aber trotz allem geht es mir heute gut. Auch wenn es aussichtslos schien. Was aber momentan aussichtslos erscheint, ist unsere heutige Gesellschaft.

Diese Welt ist voll mit Hass. Jeder hat schon mal mindestens eine Art von Ausgrenzung miterlebt. Sei es wegen Herkunft, Aussehen, Religion oder Sexualität. Für Dinge, mit denen man geboren wurde. Das ist etwas, was es im 21. Jahrhundert nicht geben sollte. In Religionen sollte man doch niemanden verurteilen, da nur Gott das Recht dazu hat oder nicht? Und man muss nicht automatisch die Denkweise der Eltern übernehmen. Dieser Hass, den wir besitzen, wird das Ende unserer Menschlichkeit sein. Wie kann ein Mensch andere schlechter behandeln, nur weil er anders ist. Wie kann man jemandem schaden, nur weil man das gleiche Geschlecht liebt? Wieso nimmt man seine Religion als Entschuldigung dafür, jemanden zu hassen? Will man nicht selber so akzeptiert werden wie man ist? Ich wurde ausgelacht, ausgegrenzt und behandelt, als wäre ich weniger wert, nur weil ich anders bin. Nur weil ich anderen etwas anvertraut habe. Das tut weh.

Ein anderes Problem ist die heutige Norm. Ich merke, wie immer mehr Jugendliche an ihrem Aussehen zweifeln. Ich blicke manchmal in den Spiegel und bin mir nicht sicher, was ich sehe. Ein hübsches Mädchen, das keine Probleme hat? Ein Mädchen, das sich wünscht ein weniger fettes Gesicht zu haben oder weniger Pickel? Will nicht jeder wie diese Instagram Models aussehen?
Die Wahrheit ist, dass uns die heutige Gesellschaft vorschreibt, was hübsch ist. Muss ich mich wirklich verändern, obwohl ich es eigentlich gar nicht will? Als ich jünger war, wurde ich genau dazu gezwungen. Ich wurde beleidigt, weil ich dicker war und nicht so wie die anderen aussah. Aber bin ich nicht trotzdem noch ein Mädchen gewesen, das auch richtige Freunde haben wollte? Das nicht ausgelacht werden wollte? Das ist der Grund, wieso ich auch heute niemanden beleidige aufgrund seines Aussehens. Weil ich genau weiß, wie es ist bloßgestellt zu werden. Denn jeder Mensch ist wunderschön. Die Art, wie wir erschaffen wurden und wie wir leben ist etwas Unbeschreibliches. Unsere Erlebnisse machen uns zu einem wunderschönen Menschen. Egal, ob dünn, dick, klein oder groß. Und das sollten wir niemals vergessen.

Ich erlebe immer wieder Kommentare von Männern, die herablassend gegenüber Frauen sind. Und das schon seit meiner Kindheit. Kommentare wie “Frauen müssen in die Küche” oder “Frauen sind Objekte”. Was mich sehr verwirrt, denn kommen wir nicht alle von einer Frau? Wurden wir nicht neun Monate im Bauch getragen von einer Frau? Wie kann man dann so etwas sagen? Wieso werde ich als 15-Jährige von Männern, die dreimal so alt sind wie ich, gerufen und angeguckt? Wieso wird mir schon von Kind an verboten, alleine rauszugehen, während meine Brüder jeden Tag genau das machen? Nur ohne jegliche Angst. Ich erlebe immer wieder, wie Vergewaltiger ohne große Strafe davon kommen. Ist es nicht unfair, dass diese Frauen jeden Tag die Folgen davon tragen müssen, während der Täter sein Leben normal weiterlebt? Mir wird immer wieder gesagt, dass es normal wäre, so angefasst zu werden. Dass man nicht immer so falsch denken sollte. Und die Schuld wird auf mich selbst geleitet. Und man fühlt sich so angeekelt und benutzt, dass man sich nicht traut, irgendwem etwas zu sagen. Wieso weiß ich, eine 15-Jährige, wie sich so was anfühlt?

Was wir nicht vergessen dürfen, ist, dass uns am Ende immer eine Sache bleibt: Hoffnung. Sie ist das einzige, das einen Menschen am Leben hält und uns weiterbringen wird. Denn egal, was einem weggenommen wird, die Hoffnung bleibt. Ich bin mir sicher, alle wissen, dass wir etwas verändern müssen. Und deshalb bitte ich euch: verändert etwas! Zwingt Politiker etwas zu unternehmen. Zwingt eure Mitmenschen etwas zu tun. Zwingt euch selber dazu etwas zu machen. Am Ende ist es unsere Verantwortung, denn wir sind die heutige Generation. Wir sind die, die die Gesellschaft und die Erde retten können. Die alles verändern können und müssen. Und die, die nicht aufgeben dürfen, egal wie schwierig es scheint.

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