Hestia - Kampf des friedlichen Zusammenlebens

Beitrag zum Kreativ- und Schreibwettbewerb "Das ist mir was wert" von Lavinia Kraus, 16 Jahre

Hestia sitzt im warmen weichen Gras, umringt von Billionen bunten Blumen. Die Blumen sind den Menschen gleich. So verschieden, doch von gleicher Art, benötigen alle dasselbe Lebenselixier. Leben, was ist das bloß? Ihre Gedanken darüber sind wirr. Das Leben ist wie ein Trauerspiel. Es ist so klein, so groß, so viel. So lang, so kurz und so fragil. Ist es etwas wert, sich dafür völlig hinzugeben? Ist es sinnvoll, es anderen zu nehmen? Ist es nötig Kämpfe damit zu bezahlen? Was bedeutet der Kreislauf von leben und sterben, Leben nehmen und leben lassen? War es nicht einst unser wertvollstes Geschenk, unser wertvollster Besitz? Doch scheint es unmöglich, es in Frieden zu geben. Was muss man sich alles anhören, was muss man sich alles gefallen lassen? Es ist traurig und schmerzt ungemein.
Du kannst das nicht (werden), nur weil du eine Frau bist. Du darfst das nicht (machen), nur weil du eine Frau bist. Du verdienst nicht mehr, nur weil du eine Frau bist.  Du hast weniger Rechte, nur weil du eine Frau bist. Du bist nichts wert, nur weil du eine Frau bist. Dein Körper wird verkauft, nur weil du eine Frau (ohne Selbstwertgefühl) bist. Du wirst vergewaltigt und geschlagen, nur weil du eine (schwache, hilflose) Frau bist. Du wirst unterdrückt, nur weil du eine (viel zu clevere) Frau bist. Du bist schlecht, nur weil du eine (schwarze) Frau bist. Du wirst zwangsverheiratet, nur weil du eine Frau (in einem Land wo du als Geldmittel zählst) bist. Du bist ein Opfer der Gesellschaft, nur weil du eine Frau bist.
Nur weil du eine Frau bist? Was soll das bedeuten? Das ist diskriminierend. Das ist nicht fair. Das ist ungerecht. Das verletzt. Was unterscheidet die Frau vom Mann? Wer gibt einem das Recht über Frauen zu entscheiden, sie zu verurteilen, sie als Geldmittel abzustempeln? Wer legt von Personen den Wert fest? Haben nicht alle einen einzigartigen und unvergleichbaren Wert oder ist das nur eine Teilvorstellung einer heilen Welt? Wer verteilt die Rechte? Warum sagt man einer Frau, was sie kann und was nicht, was sie darf und was nicht? Warum schickt man sie auf den Strich? Ihr Körper ist doch ihr eigen Eigentum! Es gibt so vieles, was Hestia an der Gesellschaft nicht versteht, warum man mit Frauen so schlecht umgeht. Es macht sie krank, ja gar verrückt. Warum sind Menschen denn so böse? Ganz laut schreit das flehende Getöse. Voll Wut, Verbitterung und Unverständnis. 
Hestia fühlt sich gefangen im Körper einer Frau. Sie will eigentlich stolz darauf sein, eine Frau zu sein, doch sie kann nicht. Sätze schwirren in ihrem Kopf. Sie hört es noch immer klar und deutlich vor sich: Schäm dich dafür, dass du eine Frau bist! Sagte man. Doch verstehen kann sie das nicht. Wird sie nicht. Der Satz hat Macht, hat Manipulationskraft, verankert sich in Herzen. Diese weinen bitterlich. Mit Tränen füllt sich ihr Körper, als ob der Ozean in ihr lebt. Der Ozean der Sehnsucht. Sehnsucht nach mehr Freiheit. Nach mehr Rechten. Nach mehr Ansehen. Nach mehr Gleichberechtigung. Nach mehr von allem. 
Hestia droht zu zerbrechen. All die Probleme beginnen sie innerlich zu zerstechen. Ihre Augen schreien, ihr Herz blutet. In Strömen. Überschüttet als Blutwelle wie ein Tsunami die Welt. Sie hofft, dass sie all die Ungerechtigkeit überfließt, mit sich reißt, vernichtet. Damit ein Neuanfang entstehen kann.
Die Sonne hat aufgehört zu scheinen, hat ihr Leuchten verloren, ist verschwunden. In diesem Mitternachtsmoment ist Hestia im Schatten des Mondes versunken. Hat die Augen fest verschlossen und atmet die Stille in sich ein. Den Frieden, den sie gerade spürt, möchte sie in sich aufnehmen. Möchte ihn erleben. Möchte in ihm leben. Doch ist Frieden keine Realität. Ist es dafür schon zu spät?
Sie zittert. Kälte fährt ihr durch den Körper. Sie friert. Sie öffnet ihre Augen und ihr Blick fällt in den funkelnden Himmel. So viele Sterne sind zu sehen. Hunderte? Tausende? Millionen? Sie beginnt zu zählen: Über dreieinhalb Milliarden! Jeder von ihnen steht für eine Frau, für einen Traum, für einen Wunsch. Sie kann sie alle rufen hören. Erkennt in jedem Stern ein weibliches Gesicht. Erkennt die Qual, den Schmerz, das Leid, von dem sie sich gerade befreit. Es wenigstens versucht.
Sie träumt von einer heilen Welt. Ohne Werte, ohne Regeln, ohne Rechte, ohne der Wichtigkeit der Farbe der Haut, ohne Unterdrückung der Frau, ohne Gewalt, ohne Blutvergießen, ohne Rassismus, ohne Hass, ohne Geld regiert die Welt, ohne Forderungen, ohne Vorurteile, ohne Leistungsdruck, ohne Diktator, ohne Monarchie, ohne Demokratie, ohne Egoismus, ohne Hungerleiden, ohne Krankheiten, ohne Verachtung. Ohne all dem, was die Welt und die Leben vergiftet. Dort schaffen es die Menschen in Frieden zu leben. Ein friedliches Zusammenleben eben. Gesteuert von Mitgefühl, Achtung, Wertschätzung und Liebe.
Sie träumt, dass die Naturkatastrophen, die auf der Erde wüten, ein Zeichen sind. Dass der Wind der Wunder die Frauen befreien wird. Die ganzen Probleme der Menschen im Feuer der Freiheit verglühen. Frieden sich ausbreiten wird, wenn das Hochwasser der Hoffnung das Leid mit sich reißt, das Gewitter der Gerechtigkeit Kummer und Qual zerbeißt und ein Vulkan statt Asche: Liebe, Wertschätzung und Gleichberechtigung speit. Denn auf der Erde hat man schon viel zu lange verlernt zu lieben. Hier wird man nur von Geld und Machtgier getrieben. Etwas, wofür man viele Opfer braucht. Sklaven und Frauen füllen diesen Platz aus. Ein Platz von Menschen geschaffen, dennoch so Menschen unwürdig. Keiner verdient es hier zu landen. An einem Ufer der Verzweiflung zu stranden. Dort zu versinken, zu ertrinken.
Hestia hört sie rufen. Sie wollen dort weg. Sie wollen dort raus. Darum geben sie den Kampf nicht auf! Zwar kämpfen sie schon seit vielen Jahrhunderten. Glücklicherweise hat sich auch in manchen Ländern einiges getan. Doch müssen sie gemeinsam und zusammen handeln, um die Welt in einen besseren Ort zu wandeln. Denn ändern müssen sie noch viel, um endlich anzukommen, an ihrem Ziel. Hestia will ihnen helfen. Doch ihr alleiniger Kampf ist aussichtslos. Aber sie gibt nicht auf. Sie kämpft für das, wofür ihr Name steht!

Zum Wettbewerb

Autorin / Autor: Lavinia Kraus, 16 Jahre