Nur für ein Lächeln

Beitrag zum Kreativ- und Schreibwettbewerb "Das ist mir was wert" von Marie Haberer, 12 Jahre

Ich fröstelte. Es war Anfang Januar und bitter kalt. Ich war auf dem Rückweg von der Schule. Heute hatte ich sieben Stunden gehabt und kam deswegen später von der Schule als sonst. Dann hatte ich auch noch meinen Bus verpasst und musste einen Kilometer nach Hause laufen, da meine Mutter arbeitete und mich nicht hätte abholen können. Ich rieb mir die behandschuhten Hände und beschleunigte meine Schritte. Gerade lief ich an der Hauptstraße entlang und war froh, bald zu Hause im Warmen zu sein. Ich bog um die Ecke und wäre dabei fast auf dem Häufchen Schneematsch, welches jemand dort zusammen gekehrt hatte, ausgerutscht. Das bisschen Schneematsch und ein paar weitere Häufchen waren das letzte Überbleibsel des Schnees der vergangenen Wochen. Ich schlitterte weiter und stieß dabei aus Versehen mit einem, etwas jüngeren Kind zusammen. Das kleine Mädchen versuchte sich noch an mir fest zu klammern, ohne Erfolg. Wir beide wurden in den kalten Schneematsch geworfen. „ Tut mir leid, hast du dir weh getan?!“, stotterte ich und rappelte mich auf, um den Mädchen auf die Beine zu helfen. Dankbar griff es nach meiner Hand und zog sich hoch. „ Alles gut, nichts passiert“, antwortete es und flitzte auch schon wieder weiter. Erst jetzt bemerkte ich den kleinen Verkaufsstand, den nur wenige Meter entfernt ein weiteres Mädchen zu betreiben schien. Neugierig trat ich näher. Bereits drei weitere Kinder, darunter auch das Mädchen, mit dem ich zusammen gestoßen war, bildeten eine kleine Schlange vor dem Stand. Ich reihte mich ebenfalls in die Schlange ein und wartete ab was geschah.
Als nächstes war ein Junge an der Reihe, ebenfalls jünger als ich. „Hier, fünf Euro“, sagte der Junge und wedelte mit einem Geldschein vor der Nase des Mädchens herum. “Bekomme ich dafür ein Spielzeugauto oder einen Traktor zum spielen?“ Das Mädchen lächelte: „ Klar bekommst du ein Spielzeugauto, aber behalte dein Geld und spare es lieber für andere Dinge.“ Mir klappte unwillkürlich der Mund auf. Hatte dieses Mädchen etwa gerade das Geld des Jungen abgelehnt und streckte ihm jetzt kostenlos ein hübsches kleines Spielzeugauto entgegen? Doch auch nachdem ihr die beiden anderen Kinder  das Geld angeboten hatten, lehnte sie weiter ab und schenkte ihnen ebenfalls ein Spielzeug. Endlich erkannte ich das Mädchen, Sie ging in meinen Parallelklasse und hieß Veronika Schubert. Es war kein Geheimnis, dass Veronikas Familie nicht viel Geld hatte und auch sonst nicht allzu viel besaß und trotzdem stand sie hier auf der Straße und verschenkte Spielzeug an andere, wahrscheinlich fremde Kinder. Das war unglaublich. „Veronika?“, fragte ich zögernd. Sie sah auf. „Mia, richtig?“, erwiderte sie und lächelte mich an. „ Ja“, sagte ich,“ Warum verschenkst du hier einfach so deine Sachen? Es sind doch deine, oder?“ Ich musste sie einfach fragen. „ Ja, warum?“, fragte sie und klopfte sich beiläufig etwas Schmutz von ihrem alten Mantel. „ Nun ja, ...“, ich wusste nicht genau, wie ich es ihr sagen sollte? Sollte ich einfach sagen, „ Hey, warum verschenkst du hier deine Sachen und lehnst jedes Geld ab, was dir angeboten wird, obwohl du und deine Familie arm sind. Nein, das konnte ich doch nicht machen! In diesem Moment nahm sie mir die Frage ab: „Du fragst dich sicher, warum ich hier bei dieser Kälte stehe und meine Sachen verschenke, obwohl ich und meine Familie eh nicht viel Geld haben“, sagte sie und ich nickte zögernd. „Nun ja, es ist ganz einfach, mir bereitet es mehr Freude  als alles andere auf der Welt, wenn ich es schaffe, einem anderen Menschen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Wenn ich es schaffe nur mit einer kleinen Geste einer anderen Person ein Lächeln zu schenken. Dass ist es mir wert! Dass ist es mir wert, bei einer unglaublichen Kälte hier zu stehen und nachdem ich einem Kind etwas geschenkt habe dessen Lächeln zu sehen. Nur dafür stehe ich hier.“ Als sie geendet hatte, klappte mir erneut die Kinnlade herunter. Sie stand hier in der Kälte nur, weil ihr ein Lächeln auf dem Gesicht eines Kindes mehr wert war als ihr eigenes Hab und Gut. Dafür konnte ich sie nur bewundern. Und ich kann es nur weitergeben. Mir war das Frösteln trotz des verbliebenen Schneematsches auf meinem Mantel völlig vergangen. Mit Veronikas Lächeln hatte sie auch mich erwärmt.

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Autorin / Autor: Marie Haberer, 12 Jahre