ich sehe was, was du nicht siehst

Beitrag zum Kreativ- und Schreibwettbewerb "Das ist mir was wert" von Elly K, 18 Jahre

ich sehe was, was du nicht siehst inmitten deiner Gier
und das sind 3.8 Milliarden
du schaust verwundert, zippst lässig weiter am Bier
weißt du denn gar, was das impliziert?
fast 50 Prozent dieser Welt sind wir

ich geb´ dir einen Einblick in unsre Gefühlswelt,
denn manchmal erweckst du den Eindruck du bist blind
wie Pferde die hinter ihren Augenklappen leben,
angetrieben von dem Wind der Dogmen und Erwartungen,
die von der Gesellschaft auferlegt worden sind

unser Dasein als Hausfrau und Mutter
als staatlich gewolltes Lebensmodell
und ja, ein halbes Jahrhundert ist das schon her,
mittlerweile dürfen wir viel mehr
doch Zwangsprostitution, ob auf der Straße oder im Bordell,
sexuelle Nötigung, Vergewaltigung und Gehaltsunterschiede
prägen die Gesellschaft auch heute noch sehr

Vor dem 20. Jahrhundert gab´s uns an Universitäten nicht,
Geschlechtsverkehr galt bis 1996 als eheliche Pflicht-
ganz egal ob erzwungen oder nicht
seit 102 Jahren dürfen wir wählen
und eine weibliche Kanzlerin darf nun entscheiden
doch erwartet ihr ernsthaft, dass wir uns damit zufriedengeben?
meine Aversion gegen diese Differenzen fängt jetzt erst an, aufzuleben

du bist wie ein Oxymoron, willst mir erzählen
wir sind wertvoll wie Diamanten,
wenn du uns versuchst ins Bett zu kriegen,
während in 82 von 100 Fällen wir sind die Opfer von häuslicher Gewalt
doch unsere Fäuste sind heute geballt
denn wir sind Brillanten, die bis zum Horizont fliegen

wenn ich tanze durch die Nacht
will den Moment genießen,
ich im Stroboskop erahne wie ich umzingelt, um ringelt bin
von Männern, die mich anfassen, angaffen
und dann die Worte "komm schon, dein Freund ist nicht mal hier"
meine Ohren erreicht,
denkt ihr allen Ernstes es wäre so leicht?

lös dich endlich von deinen Gedanken,
wie der Artist sich löst von einer Stange
um zu schweben zur Neuen
sonst bleibt er ewig stehn´
Manege frei und Vorhang auf

ich seh´ etwas, dass du ganz genau siehst,
wovor du dich versteckst,
und das sind wir

behauptest, dass ich in Hyperbeln sprech´,
doch alles was ich dir hier sage ist echt
wir müssen uns mehr etablieren,
unsre eigenen Wünsche und Rechte manifestieren
ein wertgeschätztes Bild von uns Frauen kreieren

brauchen mehr Feministen, Aktivisten,
müssen uns lösen von Barrieren, leeren Worten und deiner Ignoranz,
lernen wie Rosa Parks sitzenzubleiben ganz konsequent,
wie Martin Luther King unsre Stimme zu erheben vehement,
Diskrepanzen ausradieren, Emanzipation nicht weiter zu kaschieren,
um in Selbstbestimmung zu leben und die Frauenquoten zu erheben

lasst uns nicht länger die Uhr anhalten, um Zeit zu sparen
sondern lieber ungestört nächtelang durchtanzen
in Röcken so kurz, in dem Scheinwerferlicht,
welches deine gierige Aura auf uns wirft,
Lichter verschwommen, Gesichter verquollen,
wir sind Frauen, und wir tun von nun an das, was wir wollen

wir spielen Fußball, so unweiblich, unästhetisch wie es nur geht,
wir rappen, wir boxen im Beat
und kicken, fahren Autos mit Speed
und singen stolz unser Lied und das geht;
ich sehe was, was du nicht siehst,
und das sind wir.

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