„Schick mal Körperbild“

Beitrag zum Kreativ- und Schreibwettbewerb "Das ist mir was wert" von Freya Winter, 14 Jahre

Ein Satz, den viele Mädchen schon in jungem Alter in ihren Chats lesen. Doch welche Auswirkungen können diese drei Wörter haben? Was können diese drei Wörter in unserer Gesellschaft bewirken? Als ich den Satz zum ersten mal hörte, war ich gerade einmal zwölf, fast dreizehn. Als angeekelte, Zwölfjährige blockierte ich ihn natürlich sofort, Problem gelöst. Aber vielleicht auch nicht so ganz, wenn man bedenkt, dass es wieder passierte, ein anderer Junge. Ebenfalls blockiert, Problem gelöst. Und wieder wurde ich darum gebeten, meinen nackten Körper digital zu verschicken. Nachdem ich dann der Bitte meine blanken Brüste vor dem Spiegel dem Blitzlicht meiner Handykamera auszusetzen und auf Senden zu drücken, nicht nachkam, fragte er mich, ob ich ein fünfzigjähriger Pädophiler mit Bierbauch und einem Bart wie Rumpelstilzchen sei. Ich hätte gern seine Reaktion gesehen, wenn er tatsächlich ein Bild davon erhalten hätte. Aber da ich nicht aussehe wie Rumpelstilzchen als alter Alkoholiker, musste ich auf diesen Spaß verzichten und blockierte auch ihn. Problem gelöst? Ich würde sagen nein, denn er landete im Chat meiner besten Freundin.

Derartige Nachrichten ließen mich an mir zweifeln. Na ja und auch ein wenig am Rest der Menschheit. Ich fragte mich, ob ich keine anderen Qualitäten hätte, ob man sie nicht sehen würde, ob ich nicht mehr wert sei, als ein Mittel zum Zweck? Es gibt sogar Tipps im Internet, wie man ein Mädchen am besten anschreiben sollte, wie eine Anleitung für eine neue Spezies, die die Welt eliminiert, wenn man etwas falsch macht. Dabei bin ich ein Mensch, so schwer kann das doch nicht sein?! Mal ein ganz abwegiger Vorschlag: Wie wäre es mit Hallo? Wie geht es dir? Wer ist dein Lieblings-Disney-Charakter? Diese Kleinigkeiten wurden zu großen Dingen, die drei kleinen Wörter zu einer Infragestellung meiner selbst. Doch ich bemerkte schnell, dass ich nicht die Einzige war, die so behandelt wurde. Eines Morgens kam eine Freundin in der Schule auf mich zu, halb angeekelt, halb angepisst. Ich fragte sie, was los sei und daraufhin erzählte sie mir, dass ihr ein Fremder aus dem Nichts ungewollt ein Schwanzbild geschickt hatte.
Vor allem je älter ich wurde, desto schlimmer wurde es und ist es noch immer. Wenn man über Social media Netzwerke belästigt wird, gibt es noch Wege sich zu wehren. Doch was macht man, wenn man persönlich, auf der Straße, im Alltag belästigt wird? Belästigung fängt dann an, wenn man sich unwohl fühlt. Und ich kann sagen, dass ich den Moment kenne, in dem man unter der Dusche steht und versucht sich ungewollte Berührungen, die sich regelrecht in die Haut eingebrannt haben, verzweifelt weg zu schrubben. Auch da bin ich nicht allein, vielen Mädchen in meinem Umkreis, geht es ähnlich. Ist es das, wohin diese drei kleinen Worte führen? Und was soll man dagegen tun? Zwanzig Selbstverteidigungskurse belegen, damit Eltern weniger Angst haben, wenn man zur Winterzeit nicht schon um fünf Uhr abends zu Hause ist, weil es da schon dunkel wird? Und dann stehe ich unterwegs wie Sandra Bullock mit dem „S.O.N.G“ im Kopf vor einer Mischung aus Shrek, The Rock und Hagrid? Na klasse.

Wo fängt es also an und wo hört es auf? Den Bösewicht, den wir im Kindergarten als den kennengelernt haben, mit dem wir nicht mitgehen dürfen, hat sich bis heute in unserem Kopf so viel weiter entwickelt. Apps, die einen telefonisch oder anders auf dem nach Hause Weg begleiten, telefonische Hilfsunternehmen für Frauen und regelmäßige Nachrichten über erneute Vergewaltigungen, zeigen, dass es ein Problem ist, das die ganze Gesellschaft betrifft, warum also ändern wir es nicht auch in der Gesellschaft? Als ich das letzte mal gefragt wurde, ob ich ihm „Nudes“ schicken könne, mit der Begründung, dass ihm Pornos zu langweilig geworden seien, hatte ich schon eine ganze Menge darüber nachgedacht und wusste, dass ich mir mehr wert war, als das. Abgesehen davon: Was zur Hölle?! Das ist ja jetzt nun wirklich nicht mein Problem, oder? Ich meine, nur weil ich Brüste und eine Vagina habe, heißt das noch lang nicht, dass mein Körper dafür da ist, ihm den Zweck von Pornos zu erfüllen. Ich war und bin so wütend über derartige Ansichten und das waren in dem Moment nur ein paar der Gedanken, die mir durch den Kopf geschwirrt sind. Also sagte ich ihm, dass er aufhören solle, die weibliche Gesellschaft zu belästigen und seine Lust unter Kontrolle bekommen solle. Vielleicht landete er damit nicht unbedingt im Chat meiner besten Freundin, aber ich bin mir auch sicher, dass ich nicht die erste war, die er fragte.

Sollten wir also Angst bekommen uns zu zeigen, weil man nur unseren Körper wahrnehmen könnte? Nein, denn wir haben weitere Qualitäten, wie jeder andere Mensch auch. Und mein Körper ist mir zu wertvoll, als dass ich ihn für nur eine davon verschwende. Und ich bin mir zu wertvoll, als dass ich nicht mehr sein könnte. Das heißt, wenn ihr mal ein Bild von euch in kurzer Hose und tiefem Ausschnitt postet, auf dem ihr selbstbewusst EUREN Körper zeigt, auf den ihr stolz seid, dann fühlt euch nicht schuldig, wenn ihr derartige drei Wörter in euren Chats lest. Denn dafür seid nicht ihr verantwortlich, sondern liegt es in der eigenen Entscheidung dieses Jungen, dieses Mannes, ob er diese Art von Mensch sein will. Die Art von Mensch, die euch unwohl fühlen lässt, die Art von Mensch, die euch sexuell bedrängt, euch an euch selbst zweifeln lässt. Die Art von Mensch, die uns in unserer Gesellschaft dazu bringt, für uns aufstehen zu müssen und zu sagen: „Nein!“. Also wenn euch diese drei Worte das nächste mal begegnen, steht ihr auf, ob für euch oder jemand anderen, erklärt ihm das, damit diese Meinung weiter geteilt werden kann, damit wir auf das nächste „Hey“ im Chat höflich reagieren können, damit wir Mr. Shrek.Rock.Hagrid auf der Straße wieder anlächeln können, damit ein SONG unser Lieblingslied ist. Unmissverständlich, stark brüllend, mit einem lauten ROAR. Denn das bin ich mir verdammt nochmal wert!

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Autorin / Autor: Freya Winter, 14 Jahre