Vollmilchschokolade

Beitrag zum Kreativ- und Schreibwettbewerb "Das ist mir was wert" von Vithussa Lambeswaran, 21 Jahre

Schon wieder war es Montag und das erinnerte mich natürlich daran, dass ich mich aufrappeln musste, um zur Schule zu gehen, aber auch, dass das Wochenende ganz nah war. Ich hievte mich aus dem Bett bevor es zu spät wurde. Ein Schritt nach dem anderen, wie es sich auch gehörte, stoppte an meinem Spiegel und blickte mich an.
Braune Augen blickten mich an, die schwarz wirkten, als würde die Pupille darin verschwinden. Schwarze lange Haare, die weder lang noch wellig waren, sondern ein Mischmasch. Doch das Auffälligste war doch meine Hautfarbe und bei dem Gedanken ballte ich meine Hände zu Fäusten und mein Blick glitt nach unten zum Laminatboden. Ich fragte mich öfters, ob ich mich schäme, dass ich einen Migrationshintergrund hatte und dass dieser so auffällig war. Ja, meine Hautfarbe war braun, aber trauriger Weise sagten die meisten, dass ich schwarz sei. Doch, war meine Haarfarbe schwarz und nicht meine Hautfarbe. Man grenzte mich damit aus, dass ich äußerlich anders aussah als die meisten anderen. Ich wusste, dass ich in einer Menge von Menschen auffiel, aber dabei vergaßen die meisten, wie auch meine Schulkameraden, dass jeder Mensch doch letzten Endes irgendwie anders ist.

Der Klassenraum war stickig und ich fühlte mich nirgends zugehörig. Draußen, wenn ich nur durch die Straßen schlenderte, spürte ich die schiefen und nicht begeisterten Blicke von fremden Menschen. Doch ich lächelte jedes Mal diese Menschen an, um sie zu überzeugen, dass ich ein guter Mensch bin.
Ich teilte mein Lippenpaar in zwei und seufzte leise auf, ehe ich zum Fenster ging und musste unweigerlich blinzeln, da die Sonne schien. Es war so, als würde mich die Sonne anlächeln und bei dem Gedanken huschte ein kleines Lächeln über meine Lippen.
Ich beeilte mich nun und ging ins Bad, ehe ich mir die Zähne putzte, mein Gesicht wusch und mir aus meinem Schrank ein violett farbiges Kleid fischte. Angezogen ging ich zur Küche, in der ich auch mein Frühstück einpackte und mit einem „Bin jetzt weg. Gehe jetzt zur Schule“ schon die Wohnung verließ.

Draußen angekommen, schien die Sonne - auch wenn es ein wenig windig war - aber nachdem ich einen Schritt nach draußen setzte, überkam mich wieder die Angst, sodass mein Blick nach unten glitt. Da ich zur Schule laufen konnte, hatte ich meistens meine Ruhe. Ich wurde dann von keinem angerempelt, noch wurden mir böse Blicke zugeworfen, noch musste ich mir unangenehme Sachen von fremden Menschen anhören. Doch konnte ich die Worte von fremden Menschen besser herunterschlucken, als das, was meine Mitschüler sagten. Jedes Mal betete ich vor dem Schlafengehen zu Gott, ob ich nicht wie alle anderen sein konnte. Doch dieser Wunsch blieb immer unerfüllt.

Ich stolperte kurz, da ich mit meinen Gedanken woanders war und sah zu einem kleinen Park. Ich könnte auch dadurch laufen, dann dauerte der Weg zur Schule eben 5 Minuten länger. Ich sah zur Sonne, lächelte kurz und nahm dann ausnahmsweise diesen Weg. Es dauerte nicht lange, bis ich ein Weinen hörte.
Wie vermutet, saß ein kleiner Junge im Sandkasten und schien panisch zu weinen. Ich schluckte und sah mich um, aber kein anderer war zu sehen, also konnte kein anderer ihm helfen. Mit langsamen Schritten näherte ich mich dem Kind. „Warum weinst du denn? Wo ist deine Mutter? Dein Vater?“, fragte ich in einem sanften Ton und versuchte zu lächeln, um dem Kind zu vermitteln, dass ich keine Gefahr bin. Der kleine Junge hob seinen Kopf und sah mich mit seinen blauen Augen an. Er schien mich kurz zu mustern und das Weinen verstummte, ehe er dann auch mit den Schultern zuckte. „Ich..ich weiß es nicht“, schniefte er. Ich nickte. „Mit wem bist du den hierhin gekommen?“, fragte ich, ehe er mir dann auch antwortete. „Mit meiner Mama“. Er sagte mir, dass er Finn hieß. „Deine Mutter kommt schon. Ich warte mit dir hier, okay?“, sagte ich und lächelte. Er nickte und man merkte ihm an, dass er sich langsam beruhigte.

Es dauerte nicht mal 5 Minuten bis die Mutter kam, ehe ich mich schnell aufrappelte und hastig erklärte, was passiert war, bevor man mich fälschlich verurteilte. „Ihr Sohn hatte geweint, weil er Sie nicht gefunden hatte und ich dachte, dass ich dann erstmal mit ihm warte“,klärte ich auf. Sie lächelte mich aufrichtig an. „Ich danke dir vielmals. Ich wollte nur kurz zum Auto, aber es hat länger gedauert. Es tut mir leid Finn“, meinte sie, ehe sie auch Finn in den Arm nahm und ihm einen Kuss auf die Stirn drückte. Sie bedankte sich nochmals, dass ich Finn nicht alleine ließ und ich lächelte auf. Es tat doch gut, wenn einer aus ganzem Herzen Danke sagte.

Die Sonne schien in unsere Richtung und ich musste blinzeln, als ich mich verabschieden wollte. ”Ah, deine Augen. Honig.. Das ist echt schön und das erinnert mich an Vollmilchschokolade. Du bist wie Vollmilchschokolade“, hörte ich die Stimme von Finn und sah ihn verwirrt an. Ich brauchte einen Moment, um zu verstehen, dass er mich so meinte, wegen meiner Hautfarbe und ich musste laut lachen. „Stimmt, ich bin Vollmilchschokolade“, meinte ich lachend. „Und jeder mag Schokolade. Ich liebe Schokolade“, meinte Finn auch. Bei diesen Worten hatte ich das Gefühl, als gäbe es auch ein Happy End für mich.
Ich winkte Finn und seiner Mutter noch zu, ehe ich den Kopf in den Nacken legte und zum Himmel emporschaute. Bevor ich will, dass andere sich ändern, sollte ich mich selbst akzeptieren und lieben können. Wenn ich mich nicht mal selbst akzeptieren kann, wie sollen es andere können? Wie Finn sagte: Ich bin Vollmilchschokolade und die Mehrheit von den Menschen liebte doch Schokolade.

Ich nahm mein Handy heraus und öffnete die Frontkamera und blickte in mein Gesicht. Dabei starrten meine braunen Augen mich an, die aber durch die Sonne wie Honig wirkten. Meine Haut schien zu glänzen.
„Sun kissed“, hauchte ich leise mit einem Lächeln auf den Lippen, ehe ich den Weg zur Schule fortführte. Ich bemerkte, dass sich meine Sicht änderte und das war der erste Schritt, den ich tat, um an meiner Situation etwas zu ändern.

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