Der Nachhaltigkeitsklub an der Uni Potsdam

Von kleinen Indoor-Kompostern über eine nachhaltige Bewirtung bis hin zur Stärkung von Recyclingpapier - Lilith berichtet über eine Uni-Initiative, die das Umweltbewusstsein stärken möchte

Ich stehe an einem Tisch. Vor mir Brötchenhälften. Beschmiert mit einer veganen Creme aus dem Bioladen und einigen Biogemüsestückchen. Lange kann ich die einzelnen Häppchen nicht betrachten, denn es dauert nur eine halbe Stunde und die Kunden stehen davor Schlange. Sehr gut. Ziel erreicht!

Diese Situation ereignete sich bei der Weihnachtsfeier am Hasso-Plattner-Institut (HPI) der Universität Potsdam, an der ich seit dem WS 2018/19 Informatik studiere. Das besondere an dieser Weihnachtsfeier: zum ersten Mal in der HPI-Geschichte hat der Nachhaltigkeitsklub das Catering übernommen. Warum zum ersten Mal? Weil der Nachhaltigkeitsklub erst einen Monat zuvor offiziell gegründet wurde. Und wie kam es dazu? Das ist eine etwas längere Geschichte:

*Die Entstehung des Nachhaltigkeitsklubs*
Bereits während meiner Schulzeit habe ich mich stark mit den Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit auseinandergesetzt. Im letzten Schuljahr habe ich eine vollständige Analyse durchgeführt, um herauszufinden, in welchen Bereichen mein Gymnasium noch Defizite aufweist und habe Konzepte für deren Verbesserung erarbeitet. Das dabei erlangte Wissen und meine Erfahrungen wollte ich nun auch direkt an die Uni bringen. Bereits während des Mathematikvorkurses machte ich mich daran, mich über die Möglichkeiten vor Ort zu informieren. Bei uns am HPI gibt es mehrere Studierendenklubs, die von Themen wie Musik über Kochen bis hin zur App-Programmierung reichen. Ich suchte mir erst einmal ein paar interessierte Mitstreiter und klärte anschließend alle Formalien. Ende Oktober konnten wir den Klub mit dem Namen „Nachhaltigkeitsklub“ schließlich gründen. Unsere Themenschwerpunkte sollten sein: Umwelt & Soziales

*Was wir im ersten Semester getan haben*
Wir versuchen Stück für Stück, das Essen und Trinken bei den studentischen Veranstaltungen nachhaltiger zu gestalten. Dabei haben wir nun damit begonnen, die Brötchen bei einer Biobäckerei zu erwerben und die Aufstriche rein vegan und biologisch einzukaufen. Dies kam bei der ersten so gestalteten Veranstaltung sehr gut an. Als nächstes befassen wir uns damit, die Getränkeauswahl mit regionaleren und nachhaltigeren Sorten zu erweitern. So haben wir z.B. bereits Probierpakete von nahegelegenen Start-Ups erhalten und testen, ob die Studierenden das annehmen. Im Bereich Ernährung haben wir zudem eine „nachhaltige und gesunde“ Snackliste erstellt. Da bei Klubtreffen der anderen Studierendenklubs immer wieder Snacks angeboten werden, kamen mit dieser Anfrage einige Klubsprecher auf uns zu. Klubintern haben wir dann gerne unsere Ideen dafür zusammengetragen. Nun dient diese Liste als Orientierung und viele der Mitglieder freuen sich darüber, auch einmal etwas anderes geboten zu bekommen, als immer die gleichen Chips und Kekse.

Doch Essen ist nicht alles. Wir als Nachhaltigkeitsklub haben zudem zahlreiche Workshops organisiert. So trafen sich einige Interessierte in der „biopunkt kitchen“ (https://machbar-potsdam.de/projekte/biopunk-kitchen/) in Potsdam. Dort führten wir einen Workshop zur Herstellung von Kombucha und Wasserkefir durch – zwei, wegen der eigenen Herstellung und der verwendeten Zutaten, nachhaltige Getränke. Unsere Erfahrungen präsentierten wir zwei Wochen später unseren Kommilitonen im Hörsaalfoyer und informierten zusätzlich über den Fußabdruck von Getränken, wie z.B. Cola (hoher Wasserverbrauch, Transportkosten…).

Zusammen mit der Hochschulgruppe Amnesty International führten wir weitere Aktionen durch. So halfen wir zum Beispiel beim Unterschriftenmarathon im Herbst. Zum Welt-Aids Tag führten wir eine Informationsveranstaltung durch und verteilten dabei nachhaltige Kondome (https://einhorn.my/). Über eine Telegramgruppe und weitere Kanäle organisieren wir uns und machen uns gegenseitig auf interessante Projekte aufmerksam, wie z.B. Critical Mass, Demonstrationen oder Vorträge. Wer auch interessante  Artikel zu den Themen kennt und darüber diskutieren möchte, kann das in einer weiteren Telegramgruppe explizit für diesen Zweck  tun.

Von Anfang an wollten wir interessante Workshoptage durchführen. Der erste Tag bot eine bunte Mischung an. Wir stellten nachhaltige Weihnachtsgeschenke her (Badekugeln), backten selbst Müsliriegel und bauten Bokashianlagen (Innenkomposter). Beim zweiten Mal boten wir einen Strickworkshop samt Inputvortrag und Diskussionen rund um das Thema Textilindustrie an. In den Semesterferien luden wir mehrmals zum gemeinsamen Stricken ein, während wir interessanten Podcasts lauschten und thematisch passende Filme anschauten. Während des Semesters zeigten wir einige dieser Filme auch im Hörsaalkino – es bietet sich bei solchen Filmvorführungen auch in größerem Rahmen an, eine Diskussion anzuschließen. Für den Beginn des kommenden Sommersemesters ist ein Recyclingbasteln in Kooperation mit dem Bastelklub geplant. So kooperieren wir auch mit vielen Klubs und Initiativen bei uns am Institut. Z.B. möchten wir die nächste Auflage unseres hpi-print-Magazins in einer Umweltdruckerei auf Recyclingpapier und mit umweltfreundlichen Farben herstellen lassen und auch bei den neu anzuschaffenden T-Shirts und Pullis sind wir bei der Auswahl des Anbieters mit eingebunden.

*Mobile Alternativen und Baumspenden*
Bei uns am Institut steht ein Auto bereit, das von den Klubs z.B. für Einkäufe gemietet werden kann. Um die Studierenden dazu zu motivieren, Alternativen auszuprobieren, haben wir einen Fahrradanhänger angeschafft, der nun auch für größere Einkäufe genutzt werden kann.
Zu Weihnachten hat sich der Nachhaltigkeitsklub zwei Bäume in Form von Baumspenden „geschenkt“ - einen einheimischen deutschen Baum über den Verein „Bergwaldprojekte e.V.“ der nun in ein passendes Gebiet gepflanzt werden und somit die Arbeit des Vereins unterstützen kann, und einen Mangobaum in Thailand über die Website „Tree-dom“. Mit beiden Pflanzen unterstützen wir den Umweltschutz. Über den Mangobaum erhalten wir stets Updates (z.B. wenn der Baum aus der Baumschule entlassen wird, wie hoch er inzwischen gewachsen ist etc.) und berichten von diesen Einzelheiten klubintern sowie ab und an auf dem hpimgzn Blog, um Aufmerksamkeit für die Wichtigkeit der Naturerhaltung zu schaffen.

Von den Bokashianlagen, die wir im ersten Workshop gebaut haben, durften sich diejenigen, die wollten, eine eigene mit nach Hause nehmen. Da sich diese Art geruchsneutraler Komposter jedoch nicht nur für Studentenhaushalte eignet, sondern in unseren Augen auch für die Teeküchen, haben wir eine Anlage auch dort ausgestellt und die Studierenden sowie Mitarbeiter über die Möglichkeit informiert, dort ihren Bioabfall zu entsorgen. Der dabei entstehende Dünger wird für die Pflanzen in den Büros genutzt.

Auf dem hpimgzn Blog, dem online Blog unseres Instituts dokumentieren wir nicht nur einige unserer Aktivitäten in Wort und Bild, sondern greifen darüber hinaus auch nachhaltige Themen auf, die wir für das Studierendenleben interessant finden. Aktuell in Arbeit ist ein Artikel über nachhaltige Kosmetikprodukte, dem wir auch ein kleines Quiz anhängen, das auf die problematischen Umweltauswirkungen herkömmlicher Produkte (z.B. Mikroplastik) aufmerksam macht. Die Gewinner enthalten von uns Bambuszahnbürsten und Zahnpastatabletten sowie nachhaltige Ohrputzstäbchen.

Eine weitere sehr wichtige Aktion war das kostenlose Angebot einer veganen Hafermilchsorte in sämtlichen Teeküchen am HPI. Begleitet wurde diese Aktion von einer schriftlichen Umfrage zu Milchalternativen und einem Artikel auf dem hpimgzn Blog. Insgesamt waren wir positiv überrascht über die große Beteiligung der Studierenden und Mitarbeiter und der durchweg guten Resonanz. Die Aktion hat auch viele Diskussionen angeregt.

*Aktiv gegen Lebensmittelverschwendung*
Eines unserer großen Ziele ist, die Lebensmittelverschwendung am HPI im Speziellen und in Potsdam im Allgemeinen zu bekämpfen. Dazu arbeiten wir mit der Firma „TooGoodToGo“ zusammen, die sich dafür einsetzt, Food Waste zu eliminieren und in sieben europäischen Ländern damit schon sehr erfolgreich ist. Das Konzept funktioniert wie folgt: Den Nutzern wird eine App zur Lebensmittelrettung zur Verfügung gestellt, auf der eine Karte mit allen kooperierenden Restaurants und Cafés in der aktuellen Umgebung aufrufbar ist. Die dort übriggebliebenen Essen werden angezeigt, und der Nutzer kann dieses Essen nun online für einen geringen Preis „retten“, sprich reservieren und zu einer vom Restaurant bestimmten Zeit abholen. Dabei handelt es sich meist um Gebäck oder belegte Brote, aber auch vollwertige Hauptgerichte wie Sushi. Für uns eine eindeutige Win-Win-Situation: Die Kunden können damit Geld sparen und tun der Umwelt etwas Gutes. Gleichzeitig haben die gastronomischen Betriebe einen Anreiz, weniger Lebensmittel wegzuschmeißen.

In Berlin beteiligen sich bereits über 200 Betriebe an diesem Konzept. In Potsdam waren es Ende des Jahres 2018 lediglich zehn. Das wollten wir unbedingt ändern, nicht zuletzt auch, um den Studierenden am HPI und der Uni Potsdam mehr Alternativen zu bieten und ihnen zu ermöglichen, aktiv nachhaltig zu handeln. „TooGoodToGo“ stellte uns PDF-Vorlagen für Flyer zur Verfügung, die wir dann bei einer Umweltdruckerei auf recyceltem Papier drucken ließen. Anfang 2019 machten wir uns auf den Weg nach Babelsberg, um dort Betrieben von dieser Idee zu erzählen, die durchweg positiv reagierten. Besonders stolz sind wir darauf, dass bereits ein Betrieb, mit dem wir in Kontakt getreten sind, sich seit kurzem bei „TooGoodToGo“ beteiligt. Da er nahe an den Studentenwohnheimen liegt, können wir dieses Angebot somit auch attraktiv für die Studierenden halten. Das Thema Lebensmittelverschwendung in der Uni selbst steht auch auf der Agenda. Was macht eigentlich die Mensa mit ihren Resten? Und das Café vorm Institut?

*Was noch vor uns liegt*
Momentan beschäftigen wir uns intensiv damit, den Einsatz des Recyclingpapiers an der Universität zu fördern. Zum einen gibt es bei uns Drucker, bei denen die Option des Recyclingpapierdrucks besteht, bei denen genau dieses Fach aber sehr häufig nicht aufgefüllt ist. Das möchten wir verändern. Zum anderen wollen wir die Aufmerksamkeit der Studierenden, Dozenten und Mitarbeiter darauf richten, nur wenn unbedingt notwendig, weißes Papier zu verwenden. Außerdem befassen wir uns damit, welche Papiersorte verwendet wird und ob diese zertifiziert ist. Ein wichtiger Aspekt bei der Papierverwendung sind Klausuren. Momentan berechnen wir, wie viele DinA4 Seiten für die gerade vergangene Klausurenphase verwendet wurden und wie viele Ressourcen (Wasser, CO2,…) man sich hätte sparen können, hätte man stattdessen Recyclingpapier verwendet.
Vor Kurzem haben wir auch damit begonnen, uns über den Stromverbrauch unserer Fakultät zu informieren und möchten nun Ökostrom einführen. Ihr seht – es gibt also noch viel zu tun, und wir werden uns bemühen, viele kleine und große Projekte auch weiterhin umzusetzen.

Falls ihr selbst etwas an eurer Schule oder Universität verändern wollt – lasst euch gerne von unseren Aktivitäten inspirieren. Falls Nachfragen aufkommen, kontaktiert mich jederzeit!

Lilith

Autorin / Autor: Lilith Diringer - Stand: 7. März 2019