Was passiert im Paradies?

Beitrag zum Schreibwettbewerb Morgengrün von Samantha, 25 Jahre

Heute sehen wir; wie die Welt zugrunde geht.
Sitzen in unseren Sesseln. Sitzen in unserer Gemütlichkeit, unserer Gewohnheit, die einfach alles einnimmt. Was kann man schon machen?
Alles.
Unser Gewissen sitzt irgendwo hinten in einer Ecke. Traut sich gar nicht wirklich raus. So viele Regeln zu brechen. Regeln der Gewohnheit.
„Hallo? Entschuldigen sie bitte?“, flüstert es in Richtung der Gewohnheit. „Darf ich mal?“ Es versucht sich nach vorne zu drängen. „Hören Sie mal, ich muss hier durch!“ Die Gewohnheit ignoriert es einfach. Das Gewissen räuspert sich und wird immer lauter. „Entschuldigung!“ Der Ehrgeiz kämpft sich mit nach Vorne und nimmt das Gewissen auf die Schultern. Hop. Das stellt sich und baut sich auf: „Gewohnheit!“; ruft es. „Wir können uns zusammentun! Mit der Arbeit und der Zeit! Und das Glück wird sich schon zu uns gesellen.“ Noch sieht das Glück, was seinen Namen gehört hat, nicht so überzeugt aus. Die Menge wird größer. Die Neugier stößt dazu und die Eitelkeit rümpft die Nase. Auch die Gewohnheit scheint etwas wahrgenommen zu haben und blickt auf. Ihre Augen kaum geöffnet. Müde sieht sie aus und irgendwie ungesund. Aber zufrieden. „Wach auf Gewohnheit! Was passiert im Paradies? Siehst du das nicht? Die Menschen fällen Regenwälder, um am Ende jeden Tag Salami auf dem Brot zu haben. Wollen schick aussehen, aber jeden Tag anders, weil es das wichtigste ist was andere von einem denken und egal ob Menschen am anderen Ende der Welt überhaupt überleben. Weil wir ja nicht anders können. Du hältst uns alle fest Gewohnheit. Du hältst dich selber fest. Was passiert im Paradies?“ Mittlerweile hat sich ein kleiner Kreis um die beiden gebildet. Verantwortung und Ehrgeiz feuern das Gewissen an. Die Bequemlichkeit und die Angst halten sich zurück und blicken gespannt auf die Gewohnheit.
„Menschen müssen nicht ständig von Köln nach Berlin fliegen, sie müssen keine Mango im Dezember kaufen und 'ne Plastiktüte für einen Apfel nehmen. Müssen wir uns etwa am Ende einen Bunker bauen und hoffen, dass uns nichts passiert? Müssen wir uns abkapseln und all die anderen den Scheiß erleben lassen? Nach mir die Sintflut? Leben und leben lassen? Aber was sollen wir denn leben lassen wenn alles stirbt?“ Das Gewissen verliert langsam seine Stimme. Es kniet am Boden und blickt von unten die Gewohnheit an. Sie rührt sich immer noch kaum. „Aber jemand anderes...“, beginnt sie und seufzt. Das Gewissen seufzt auch. Ja, immer jemand anderes soll es sein. Sich von der Verantwortung trennen. Das Gewissen kann sich nicht einfach so von der Verantwortung trennen. Denn sie gehören zusammen.

Was passiert im Paradies wenn niemand was tut?
„Die Menschen hier lieben ihr Leben und denken nicht daran, was daraus wird und werden kann, vielleicht, dass was schon genug andere Menschen erleben? Armut, Leid, Naturkatastrophen. Umwelt sind nicht nur Tiere und Bäume, Berge und Gletscher, sondern auch Menschen.
Dafür lohnt es sich schon zu kämpfen!“ Das Gewissen ist wieder voll dabei!
Die Gewohnheit zuckt. Räuspert sich. Das Gewissen schaut überrascht. Die Menge ist mucksmäuschenstill und wartet darauf, dass etwas geschieht. Gemischte Gefühle bei allen.
„Vielleicht können wir es versuchen“, sagt die Gewohnheit. Das Gewissen strahlt. Und nickt.

Vielleicht bewegt sich ja doch was. Denn sonst. Was passiert im Paradies?

Paradise, nördlich von Sacramento wurde Anfang November durch Waldbrände komplett zerstört und seine Reste schwimmen jetzt in gesammelten Regentropfen, die den Ort überfluten.
Das ist kein Witz und keine Pointe. Sondern einfach nur Realität.

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Autorin / Autor: Samantha, 25 Jahre