Wenn sich der Affe im Zoo über mich lustig macht

Beitrag zum Schreibwettbewerb Morgengrün von Nils Bollenbach, 18 Jahre

Wir unterbrechen für eine Eilmeldung. Im Berliner Zoo bahnt sich eine Sensation an. Der Affe Charles lacht seit vergangenem Freitag die Besucher aus. Besonders stark lacht er, wenn Besucher stehenbleiben und sich über das Tier wundern. Dann lache der Affe oft so doll, dass er sich nicht mehr auf den Beinen halten könne, so ein Berliner Tierpfleger, der das Tier schon seit mehreren Jahren betreut. Forscher versuchen derweil herauszufinden, was die Ursachen für dieses Verhalten sein könnten. Feststeht, dass der Affe über ein für seine Spezies unnatürliches Maß an Intelligenz verfügt.

Wir schalten in den Zoo:

„Herr Schmitz, Sie als Pfleger von Charles, können Sie uns noch einmal genau schildern, wie Ihre Pflege des Tieres aussieht?“

„Ich habe Ihnen doch schon gesagt, Charles wurde als kleiner Affe von seiner Mutter getrennt. Ich habe ihn aufgezogen, mit ihm Kinderbücher gelesen und ihn wie meinen Sohn großgezogen, vermutlich kommt daher die übermäßige Intelligenz.“ 

Interessanter Ansatz, wir nehmen den Affen mit in die Uni, um ihn den Studenten vorzustellen.  -...

...Die Studenten starren auf den Affen, der immer noch feixend lacht. Plötzlich springt der Affe auf, schnappt sich ein Stück Kreide und beginnt damit, einen großen Kreis auf die Tafel zu zeichnen, einen grünen Kreis: „Das, liebe Zuschauer ist das Ökosystem.“  Die Studenten stehen mit offenen Mündern da und sehen nach rechts und links um sich zu vergewissern, dass der Nachbar das Gleiche sieht. Der Affe kann sprechen! Als die Studenten und Professoren sich nach einiger Zeit immer noch nicht einkriegen, fährt der Affe fort: „Fressen und gefressen werden. The circle of life," verkündet er und ergänzt höhnisch, „Filme und Lieder habt ihr Menschen darüber geschrieben, begriffen habt ihr es aber noch nicht. Seid ihr noch nie darauf gekommen, dass in einem Ökosystem alles seinen Platz hat? Es ist ein sich selbst regulierender Kreislauf, da kommt es nicht auf das Individuum an, sondern auf das große Ganze, und das ist in sich schlüssig. Aber jetzt kommt ihr als Menschen. Ihr platzt in dieses System herein, nehmt einen größeren Platz ein, als euch zusteht, und verdrängt, was vor euch gewesen ist. Ihr seid ein Virus! Ein Virus in einem funktionierenden System. Ist euch noch nicht aufgefallen, dass dieses System versucht, sich gegen euch zu wehren, mit Naturkatastrophen, Epidemien und Seuchen. Doch ihr seid eben ein sehr raffinierter Virus, der mutiert und Wege findet, zu überleben. Die Natur, der Planer, kann die Menschheit nicht ausrotten, ohne sich selbst und die gesamte Erde zu vernichten, soweit seit ihr eingedrungen.“ Stille im Saal. Für die Forscher ist es schlüssig, aber es traut sich keiner, zu applaudieren. Schließlich hieße das, sie müssten die Menschheit auslöschen, um die Erde zu retten. Da spricht der Affe weiter: „Aber es gibt eine Lösung.“  Er zeichnet einen zweiten, grauen Kreis, der sich mit dem grünen Kreis überschneidet. „Das ist die Lösung, um das Leben auf der Erde zu sichern. Ihr müsst ein eigenes, ein menschliches Ökosystem erschaffen, eins, in dem euer Müll und die gesamten Abfälle eures Daseins wieder Platz in eurem „Circle of life“ finden und nicht in unserem. Bei diesem „Circle of life“ darf es eine Überschneidung mit dem vorhandenen Ökosystem geben, aber ihr dürft nicht versuchen, ein übermächtiger Teil unseres Ökosystems zu werden.“ Erneut Stille, bis ein Student das Wort erhebt und mit ernster Stimme spricht: „Aber sag mir eins. Warum lachst du die Menschen aus?“ Da sagt der Affe, schon im Begriff den Saal zu verlassen: „Weil ihr es nicht kapieren werdet. Das sind keine neuen Erkenntnisse, aber ihr seid so von euch überzeugt, dass ihr der Meinung seid, ihr seid die Krone der Schöpfung. Dabei hat es in der ach so primitiven Tierwelt schon immer funktioniert. Ihr kapiert es nicht,oder? Was glaubt ihr, wieviel Zeit bleibt euch noch?"

Mehr Infos zum Schreibwettbewerb

Autorin / Autor: Nils Bollenbach, 18 Jahre