Der Teich

Beitrag zum Schreibwettbewerb Morgengrün von Hannah Sostmann, 15 Jahre

In einem kleinen Wald gelegen, gab es einmal einen Teich. Das Wasser war kristallklar, so dass man bis auf den Grund blicken konnte und es gab so viele Fische, dass die Wasseroberfläche vor lauter Flossenschlägen der schuppigen Tiere nie glatt zu sein vermochte.

In dem Wald um den Teich lebten viele Tiere friedlich und in Harmonie beisammen. Sie nahmen von dem satten Grün, was sie brauchten, und waren glücklich mit sich und der Welt.

Eines Tages hatte der Wolf eine Idee. Er war müde davon, seine Speisereste immer zu verscharren, also kam ihm in den Sinn: Wenn er alles einfach in den See würfe, bliebe ihm die lästige Verbuddlerei der Knochen erspart.

Nach seinem nächsten  Mahle am Ufer des Teiches nahm er die Knochen in seine Pfote und schleuderte sie ins Wasser.

Eines der Eichhörnchen, die auf einem Ast lebten, der über den Teich ragte, sah dies und rief zum Wolf: "Wolf, warum wirfst du deine Knochen in den Teich?“ Der Wolf blickte zu dem Nagetier hinauf: "Meine Zeit auf Erden ist zu kurz, als dass ich sie damit verschwenden könnte, all diese Knochen zu vergraben", sprach er und verschwand im Dickicht des Waldes.

Das Eichhörnchen war begeistert von der Idee des Wolfes. Es erzählte den anderen Eichhörnchen davon und schon bald hatten alle Tiere des Waldes von der Idee des Wolfes gehört.

Die Vögel begannen ihre kaputten Nester in den Teich zu stoßen, der Maulwurf warf seine Erde hinein, die Schlange legte ihre Haut ins Wasser und der Dachs seine verdorbenen Vorräte.

Auch der Reiher dachte sich, dass auch er sein Leben angenehmer gestalten könnte. Also begann er nach Herzenslust zu fischen. Er stellte sich bis zu den Knien ins Wasser und fraß alles, was ihm vor den Mund schwamm.

Nach einiger Zeit begann  sich am Boden und an der Oberfläche des Teiches immer mehr Müll der Tiere anzusammeln, die Fischbestände nahmen ab und der Teich verlor an Klarheit. Die Kaninchen sahen dies und wurden besorgt. Wenn es den Teich nicht mehr gäbe, würde ihnen ihre Lebensgrundlage fehlen. Also gingen sie zum Wolf, da er diesen Trend ausgelöst hatte.

"Wolf, unser Teich stirbt. Du musst uns helfen, etwas gegen die Verschmutzung des Teiches zu tun! Auf uns alleine werden die Tiere nicht hören, aber du bist groß und stark, dir werden sie gehorchen" , sprachen die Kaninchen.

"Liebe Kaninchen“, antwortete der Wolf "wenn ich aufhören würde, meine Knochen im Teich zu entsorgen, müsste ich sie wieder vergraben. Das würde meinem Ansehen schädigen.“

Die Kaninchen gaben noch nicht auf. Sie gingen zum Dachs. "Dachs, du musst uns helfen den Teich zu retten. Wenn der Teich verschwindet, werden wir alle sterben!“

Der Dachs sah sie irritiert an. "Ach, das ist doch nur Quatsch, dem Teich geht es blendend. Nie zuvor hatten die Fische so viel Futter wie jetzt durch die neu entstandenen Algen. Der Teich stirbt nicht. Das haben sich nur die Eichhörnchen ausgedacht", sprach der Dachs und verschwand in seiner Höhle.

Die Kaninchen waren verzweifelt. Keines der großen Tiere wollte ihnen helfen, also beschlossen sie abzuwarten.

Eines der Tiere, eine Blaumeise, die sich des Ernstes ihrer Lage bewusst war, wollte die anderen Tiere zum Nachdenken anregen. Gemeinsam mit ein paar anderen Blaumeisen versammelte sie alle Tiere auf der großen Wiese direkt neben dem Teich.
Von einem hohen Ast aus sprach sie piepsend: "Alle Tiere des Waldes, seht ihr denn nicht, dass unser Teich, unser aller Lebensgrundlage, dem Untergang geweiht ist? Wir waren viel zu lange verschwenderisch mit dem, was unsere Mutter Gaia uns gab. Wenn der Teich stirbt, sterben wir. Das ist unser Schicksal, wenn wir so weitermachen. Doch noch ist es nicht zu spät, noch können wir dieses Geschenk der Natur retten und uns gleich mit! Wir können nicht länger untätig bleiben, wir müssen unseren Lebensraum retten. Also, wer ist dabei?“, beendete sie ihrer Rede.

"Liebe Meise", erwiderte der Wolf, "du sorgst dich zu sehr. Der Teich war schon viele Generationen lang und in Zukunft wird er auch noch sein. Er hat schon viel Schlimmeres durchgemacht."
Doch die meisten Tiere waren anderer Meinung. Sie wussten, dass es schlecht um sie stand und sie wollten handeln. Doch sie trauten sich nicht, ihre Stimme gegen Wolf und Dachs zu erheben. Auch hatten sie Angst, für ihre Meinung verspottet zu werden. Darum schwiegen sie lieber still.

Als einige Zeit später ein übler Gestank vom Teich auszugehen begann und die Tiere, die das Wasser tranken, krank zu werden begannen, beschlossen Wolf und Dachs zusammen mit den andern Tieren nach einem neuen Teich zu suchen, an dem sie dann leben könnten.
Alle Tiere nahmen ihr Hab und Gut und liefen so tief in den Wald hinein, wie sie es noch nie zuvor getan hatten.

Nachdem sie einige Zeit in eine Richtung gelaufen waren, lichtete sich das Dickicht. Vor den Tieren klaffte ein riesiger Abgrund, so tief und dunkel, dass sie den Boden nicht sahen. Sie blickten zur anderen Seite hinüber, doch dort war nichts. Nur gähnende schwarze Leere. Verzweifelt kehrten die Tiere um.

Sie liefen in die entgegengesetzte Richtung, aber auch hier erwartete sie nur schwarzes Nichts, so weit sie sehen konnten.
Nachdem sie einmal um den ganzen Wald herum gelaufen waren, wurde ihnen klar, dass sie hier nicht weg konnten. Und sie realisierten, dass ihr Teich der einzige seiner Art in ihrer gesamten Galaxie gewesen war.

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Autorin / Autor: Hannah Sostmann, 15 Jahre