Die Welt, in der wir leben

Beitrag zum Schreibwettbewerb Morgengrün von Finja Schmidt, 17 Jahre

Mit einem eleganten Knicks setzte sie sich im Schneidersitz auf die Decke, welche den Kontakt zwischen ihrer Kleidung und den feuchten, beinahe noch nassen Grashalmen vermied. Es war ruhig, beinahe lautlos. So früh am Morgen waren wenige Menschen unterwegs. Meistens Hundebesitzer, welche ihre Vierbeiner spazieren führten. Die morgendliche Luft wehte ihr durchs Gesicht und bereitete ihr eine Gänsehaut. Die Sonne hatte sich erst vor kurzem über den Horizont erstreckt. Die Studentin spielte mit einer ihrer blonden Haarsträhnen, bis ihre Freundin sich ebenfalls auf die Decke platziert hatte.
"Verrätst du mir nun den Grund, weshalb du mich in der Früh auf diese Wiese gelockt hast?", erhob die Studentin ihre sanfte Stimme. Ihre Freundin lächelte herzlich, streckte ihr Gesicht gen Himmel und schloss für einige Sekunden ihre Augen, ehe sie dann wieder in das verwunderte Gesicht ihrer Sitznachbarin schaute.
"Ich möchte einen kleinen Test mit dir machen", kam sie schließlich auf ihr mysteriöses Anliegen, welches jedoch noch keine Klarheit im Kopf der Studentin hervorbrachte. Diese wiederrum legte den Kopf schief und schaute ihre Freundin mit einer dementsprechenden Mimik an.
"Keine Sorge, du musst nur ein paar Fragen beantworten. Es geht um ein Projekt bei mir im Seminar", erklärte ihre Freundin nun etwas ausführlicher, wobei sie sich eine dunkelbraune Strähne hinter ihr Ohr klemmte, welche abermals in ihr Gesicht gerutscht war.
"Also geht es sicherlich um die Natur und Umwelt?", vergewisserte sich die Blondhaarige, worauf die Brünette kurz nickte.
"Kann es los gehen?"
"Ja."
"Was siehst du?", stellte ihre Freundin dann die erste Frage.
"Wie genau meinst du das?", hinterfragte die Studentin mit rätselndem Blick, worauf ihre Freundin lediglich eine Geste machte, welche auf ihre nahe Umgebung deutete. "Beschreibe deine Umgebung."
"Grünes Gras, Bäume, Pflanzen, die Wiese, Wolken am Himmel und einen Kuhfladen einige Meter neben uns", beendete sie mit einem witzelnden Unterton. Erneut lächelte ihre Freundin, beinahe grinste sie schon.  "Das kommt, weil wir gerade auf einer Kuhweide sitzen. Aber wenn du deine Umgebung nun mit Adjektiven beschreiben müsstest, welche würdest du dann wählen?", stellte ihre Freundin dann unmittelbar die nächste Frage. Die Studentin grübelte kurz. "Ruhig, angenehm, natürlich,... schön", antwortete diese.
"Und wie lange denkst du, wird diese Umgebung hier genauso verbleiben, wie sie gegenwärtig ist?" Verwirrung lag in den Augen der Studentin, welche einen kurzen Blick zu ihrer Freundin schweifen ließ, welche wiederum nur in die Ferne vor ihnen schaute. "Keine Ahnung. Warum sollte sich hier etwas verändern?"
"Weil genau dies fortlaufend geschieht. Der Mensch greift in die Natur ein und verändert sie... oder zerstört sie", erklärte die Brünette und schaute nun ihre Freundin an, welche jedoch nur mit der Stirn runzelte und nach Worten suchte.
"In meinem gegenwärtigen Seminar geht es um die Umwelt und deren Probleme. Und allein das, was ich gerade angesprochen hatte, gehört schon zu den Problemen der Abholzung und des Artenschutzes", erzählte sie weiter. Erneut suchte ihre Freundin nach Worten. "Menschen sind intelligente Wesen und streben nach dem perfekten Zustand einer Sache. Sie bilden sich weiter, lernen dazu, erschaffen Neues. Aber jener Perfektionismus ist nicht vollkommen. Durch neue Erfindungen des Menschen werden auch neue Probleme erschaffen", fuhr die Freundin fort, während sie sich ihre Umgebung anschaute. Für eine kurze Zeit herrschte Stille.
"Also mit der Veränderung dieser Wiese meintest du Abholzung der Bäume und Baufläche für Gebäude, richtig?", erhob die Studentin dann zögernd ihre nachdenkliche Stimme. Ihre Freundin nickte.
"Kennst du das Sprichwort: Der Mensch sieht vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr?", erhob die Brünette ihre mittlerweile betrübte Stimme. Ihre Sitznachbarin nickte.
"Das Sprichwort existiert nicht grundlos. Dahinter steckt eine Wahrheit, jedoch wollen viele diese Wahrheit einfach nicht erkennen".
"Im Bezug darauf, dass der Wald ein eigenes System - ein Ökosystem - erschaffen hat?", hinterfragte die Studentin, worauf ihre Freundin wieder nickte.
"Ja. Ein Ökosystem. Ein System mit tausenden von Tierarten, Pflanzenarten und Bäumen. Alles ist aufeinander abgestimmt und wird in einem ewig andauernden Kreislauf geregelt. Wenn der Mensch also kommt und dieses System unterbricht, da er nur eine Ressource in diesen Orten sieht, dann folgen viele Probleme. Der Mensch erkennt das Wunderbare solcher Orte nicht mehr. Er sieht nur Profit und Nutzfläche darin. Und so geht das Wesentliche unseres Planeten verloren", erzählte sie weiter.
"Und wenn der Wald verloren geht, geht auch der wichtigste Lebensstoff für den Menschen verloren – Sauerstoff", fuhr die Studentin das Gespräch fort, worauf ihre Freundin die Lippen zusammenpresste und nickte.
"Weißt du, es ist schon lustig, wie der Mensch versucht, so schnell wie möglich die Zukunft zu erreichen, wenn es um Technologie und Wissenschaft geht. Autos, Flugzeuge, Kreuzfahrtschiffe. All diese Worte kann man mit einem Umweltproblem zusammenfassen: Emissionen. Der Mensch zerstört sich seine eigene Welt, seinen eigenen Lebensraum, nur um das Unmögliche möglich zu machen. Ironisch, oder?"
"Er erschafft etwas, indem er etwas  zerstört", wandte die Studentin ein, worauf ihre Freundin abermals nickte.
"Ein Problem folgt auf das nächste. Sie sind alle miteinander verkettet, wie eine Eisenkette. Emissionen  tragen die Luftverschmutzung mit sich. Und dazu kommt noch die Klimaerwärmung, wozu der erhöhte C02-Austoß auch noch beiträgt", sagte ihre Freundin, bevor sie wieder verstummte und gen Himmel schaute.
"Das Ironischste überhaupt ist allerdings, dass wir mittlerweile die Faktoren, die diese Probleme verursachen, nicht einmal mehr wegdenken können. Denn wer fährt nicht wöchentlich oder täglich mit dem Auto, dem Bus oder der Bahn?"

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