Wenn Wissen die Welt rettet

Beitrag von Lilly Geske, 14 Jahre

Ich sprintete über den Zebrastreifen und hätte beinahe meine Einkäufe fallen gelassen, als ich versuchte über die Ampel zu kommen, bevor sie auf rot sprang. Die Vorlesung hatte heute länger gedauert als erwartet und ich war drauf und dran wieder zu spät zu dem Mentortreffen mit Susanne zu kommen. Sie hasste Unpünktlichkeit und Unzuverlässigkeit sehr und meinte, es wäre unglaublich wichtig sich bestimmte Eigenschaften anzueignen, weil sie fürs Leben unverzichtbar seien, womit sie durchaus Recht behalten würde. Bereits seit sieben Monaten lehrte Susanne mich alles, was sie über das Leben wusste und ich genoss die Zeit mit ihr immer sehr, auch wenn sie eine ziemlich strenge Lehrerin war. Hektisch schloss ich die Wohungstür auf, warf die Einkäufe in die Küche und rief Mala eine Begrüßung zu. Dann rannte ich in mein Zimmer, schaltete meinen Laptop an und legte die Sensoren an meine Schläfen. Ich loggte mich auf der Mentoring Website ein und spürte sofort den leichten Stich, als sich die Sensoren mit denen in meinem Kopf verbanden. Der Countdown erschien auf dem Display meines Laptops und als die Drei in rot erschien schlossen sich automatisch meine Augen und ich war weg. Für den Moment schwebte ich im Nirgendwo, einer Art Zwischenraum, bevor ich in einem der unzähligen Gesprächsräume landen würde. Es war jedes Mal aufs neue ein berauschendes Gefühl, denn alles war leicht, um mich herum keine Farben, nur ich und meine Gedanken. Dann, nach ca. 2 Minuten verschwand das Nichts und wich einem hellen, sonnendurchfluteten Raum mit weißen Wänden und keinem einzigen Möbelstück. Die wären sowieso ohne Nutzen gewesen. Hier drin war alles möglich. Alles reine Gedankenkraft und Vorstellung. Susanne war noch nicht da, weshalb ich mich bereits im Schneidersitz auf den Boden setzte. Das Gefühl hier war anders, was auch nicht überraschend war, weil es nun mal ein virtueller Raum war und keinen wirklichen Boden besaß. Wenige Sekunden später, wie aus dem Nichts, nahm die kleine, rundliche, gutmütige alte Frau, die mir so wunderbar bekannt war, Gestalt an. Sie hatte wie immer die Augen geschlossen und öffnete sie jetzt mit einem verschmitzten Glanz in ihnen. Sie ließ sich anmutig gegenüber von mir nieder und legte ihre Hände mit den Handflächen nach oben auf ihre Beine und ich legte sanft meine Hände in die ihren. In Gesprächsräumen konnte nur telepathisch kommuniziert werden und das auch nur durch virtuelle Berührungen. Die Regierung feilte stetig an neuen Regeln und Möglichkeiten. Vieles hatte sich in den letzten 20 Jahren geändert, denn seit die Welt kurz vor einem Untergang stand und sich die Gesellschaft immer weiter entzweite, wurde herausgefunden, dass der Schlüssel zu all den globalen Problemen Wissen ist. Die Bevölkerung wurde durch Unwissenheit und Manipulation gespalten und so wurde im Jahre 2027, nachdem die Erderwärmung gestoppt und eine Lösung zur Erhaltung der Menschheit auf physischer Ebene gefunden wurde, ein weltweites Abkommen getroffen zum Schutze der Bevölkerung und für ein besseres Zusammenleben.
Nach Beenden der Schule, die ab diesem Zeitpunkt jedes Kind besuchen musste, wurde jedem Jugendlichen eine ältere Person zugeteilt, die laut Gesetz verpflichtet wurde, dem jungen Menschen alles beizubringen, was für das Leben nützlich und wertvoll sein könnte. Dem Mentor wurden bestimmte Fragen und Punkte gegeben, die während den vorgeschriebenen 10 Jahren Programm bearbeitet werden mussten. Da zu diesem Zeitpunkt und auch in den darauffolgenden Jahren die ältere Bevölkerung überwog, wurde nach Sprache und auch Grundwissen sortiert, wer in das Programm aufgenommen werden konnte. Für die Mentoren gab es wie auch für die Lehrlinge ein Grundeinkommen, welches nicht groß, fürs Leben jedoch ausreichend, war. Das bedeutete für die jungen Erwachsenen, dass sie neben den beiden wöchentlichen Treffen sowohl Studium als auch Ausbildung oder Arbeit anfangen konnten und ihre Mentoren auch darüber ausfragen konnten. Der neue Bildungsweg war ein großer Erfolg, denn er berücksichtigte vielerlei Faktoren. Sowohl kulturell, als auch auf persönlicher Ebene war es möglich mit seinem Partner zu agieren und die neuste Technik schuf unendliche Möglichkeiten die vergangenen Geschichten und Traditionen zu veranschaulichen. Außerdem führte sie laut Studien zu einem besseren Austausch und besserer Kommunikation. Der Anfang war schwer, denn besonders die ältere Generation war mit dem neuen Programm überfordert, doch mit der Zeit fanden auch sie Gefallen an allem. Vielen hatte es gefehlt, anderen von den guten alten Zeiten zu erzählen. Die Kygo, nach dem Erfinder Simon Kygo, war sowohl eine Art virtuelle Bibliothek, mit allen digitalisierten Büchern weltweit, aber auch mit Filmen, Hörspielen, Kassetten, sogar Bilder, die vor über 100 Jahren geschossen wurden konnte man sehen.
Einmal im Monat gab es eine Versammlung, wo bestimmte Fähigkeiten und Eigenschaften abgefragt wurden, die sich mit der Zeit durch die Gespräche und den Unterricht entwickelten. Dazu  kamen alle Mentoren mit ihren Lehrlingen aus einer Sektion in einen bestimmten Gesprächsraum.
„So Lilly, lass uns beginnen!“ dachte Susanne.
„Heute habe ich überlegt, es wäre sinnvoll an dem Punkt anzuknüpfen, an dem wir aufgehört haben. Welcher war es noch schnell?“ Ich half ihr auf die Sprünge:
„Direkte Kommunikation und warum sie so wichtig ist.“
„Richtig.“ Der Raum um uns verschwand und wich einer Szenerie aus einer Küche. Eine Frau stand am Herd, ein Mann kam durch die Haustür, ein Streitgespräch entwickelte sich und nachdem die Szene vorbei war, verschwand sie wieder und der Raum war wie zuvor. Wir analysierten das Gesehene und begannen uns über unsere Gedanken auszutauschen.
Ich liebte die Zeit immer sehr, denn Susanne war für mich die Oma, die ich nie hatte und ich spürte mit jedem Treffen wie meine Persönlichkeit und die Art an Probleme und Situationen heranzugehen sich veränderte. Ich wurde reflektierter, offener und verstand bestimmte Standpunkte besser als zuvor. Wie ich sagte, ein voller Erfolg.

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Autorin / Autor: Lilly Geske, 14 Jahre