Rot werden? Lieber sterben!

Wenn man immer rot wird, könnte das eine Krankheit sein

Fängt dein Kopf immer geradezu grundlos an zu glühen? Dann gehörst du vielleicht zu den Menschen, die an Erythrophobie leiden.

*Rot werden? Lieber sterben!*
Bei aufwühlenden Situationen fängt das Herz schneller an zu schlagen, der Blutdruck steigt, der Kopf wird stärker durchblutet, man errötet. Ist es also nicht völlig normal aus Wut, Scham oder Freude rot zu werden? Ja, das ist klar. Doch was ist, wenn einem bei jeder Kleinigkeit, die Angst im Nacken sitzt im nächsten Moment wie eine Tomate auszusehen?

„Der lacht mich bestimmt gleich aus...“

Solche und ähnliche Gedanken gehen schätzungsweise jedem 20. Deutschen minütlich, sogar sekündlich durch den Kopf. Sie leiden alle an Erythrophobie. Dieses nicht ganz einfache Wort setzt sich aus den beiden griechischen Worten „erythros“ für „rot, rötlich“ und „phobie“ für „Angst, Furcht“ zusammen. Es bedeutet also so viel wie „die Angst vor dem Erröten“. Doch es ist nicht unbedingt das, wovor sich Leidende fürchten. Es ist vielmehr die Reaktion anderer. Sie machen sich verrückt, wie man sich ihnen gegenüber wohl verhalten wird. Sie setzten sich unter Druck, verkrampfen und werden rot, was sie wiederum nur noch nervöser und unsicherer macht. Ihr Leben ist von Panik- und Schweißattacken gepflastert. Sie drücken sich vor jeder Angelegenheit, da die Angst vor dem Erröten, sie in die Enge treibt und festhält. Nach und nach trauen sie sich nichts mehr zu. Lieber verkriechen sie sich in ein dunkles Loch. Denn dort muss man nicht befürchten, im nächsten Moment rot wie eine Ampel aufzuleuchten. Man isoliert sich von seiner Umwelt und lässt sich so immer mehr von seiner Angst einfangen.

„Jetzt bloß nicht rot werden, bloß nicht!“

Das hilft garantiert nicht: Sich verbieten zu erröten. Denn in diesem krampfhaften Zustand gerät man nur stärker unter Druck und errötet noch schneller und sogar intensiver. Es bringt also gar nichts. Man sollte sich erlauben, auch mal rot werden zu dürfen. Es ist schließlich menschlich und sobald man jemandem so entspannt entgegen treten kann, wird sich die Röte auch schon bald wieder legen. Und wenn nicht? Auch kein Problem. Schließlich kann es doch auch ganz niedlich aussehen!

Gegenmittel

Es gibt Verhaltenstherapien, bei denen gelernt wird, mit Situationen umzugehen, zu entspannen. Wenn das nicht zu helfen scheint, gibt es auch Medikamente, die die Angst unterdrücken. Sie sollen dem Patienten Erfolgserlebnisse verschaffen, die ihm zu einem angstfreien Leben verhelfen sollen. Die endgültige Alternative ist eine Operation, bei dem der Röte-Impuls abgeklemmt wird. Allerdings ist diese Methode sehr umstritten, da in die natürliche Wärmeregulation des Körpers eingegriffen wird.

Meine Erfahrung

Ich weiß nicht, ob ich an Erythrophobie leide, da ich nie eine Diagnose habe machen lassen, aber manchmal kommt es mir einfach so vor. Wenn ich in der Schule dran kam, zuckte ich regelrecht zusammen. Ich spürte, wie die Hitze in mir aufstieg und geradewegs in Richtung Kopf wanderte. Ich wurde nervös, verkrampfte und brachte kaum einen Ton heraus. Mit der Zeit wurde ich immer unscheinbarer, um ja nicht aufzufallen und vielleicht sogar angesprochen zu werden. Wie ich es in den Griff bekam? Gute Frage, keine Antwort. Allerdings komme ich inzwischen besser damit klar. Ich versuche entspannter an die Dinge heranzugehen. Es ist nicht einfach immer im Hinterkopf haben zu müssen, wie andere bloß auf das eigene Erröten reagieren – egal, ob Fremde, Freunde oder Familie. Aber man kann damit zurecht kommen und ich werde auch daran arbeiten, damit ich irgendwann nur noch erröten muss, wenn ich verliebt bin!

Autorin / Autor: s7illwat3r - Stand: 28. September 2005