Seelenlos und grandios

Beitrag zum Wettbewerb FutureJobs von Niklas Dangelmaier, 20 Jahre

Die Wirtschaft ist ein loderndes Feuer, das immer neuen Brennstoff braucht. Bis vor wenigen Jahrhunderten bestand dieser Brennstoff aus Menschen und Tieren. Erst mit der industriellen Revolution gesellten sich auch Maschinen dazu. Muskelkraft wurde durch Dampfmaschinen ersetzt, Pferde durch Lokomotiven und Autos. Maschinen übernahmen die Handarbeit in riesigen Webereien und Fabriken. Die neue Technik ging den Menschen nicht nur zur Hand, sie ersetzte deren Hand.

Heutzutage ist kaum einer mehr neidisch auf die Maschinen, die den Menschen die Arbeit abnehmen. Schließlich haben sich die Industriestaaten früh genug umgestellt, um am Ende nicht ohne Arbeit dastehen zu müssen. Und außerdem möchte kaum einer auf die Vorzüge der Technisierung verzichten. Wenn ein Auto, das in hocheffizienten Fabriken von Robotern zusammengeschweißt wurde, schon mehrere zehntausend Euro kostet, wie viel würde dann erst ein handgemachtes kosten?

In Ländern wie Deutschland werden von Jahr zu Jahr weniger Kinder geboren. Infolgedessen wird menschliche Arbeitskraft durch maschinellen Einsatz ersetzt. Darüber hinaus sind Maschinen in vielerlei Hinsicht praktischer als Menschen. Sie fordern keinen Lohn, gründen keine Gewerkschaften, haben keine Rechte und brauchen keinen Schlaf. Alles, was sie benötigen, ist Energie und ab und zu ein Tropfen Öl.

Maschinen haben dazu beigetragen, dass die Wirtschaft als Ganze effizienter wurde. Dies hat aber auch zur Folge, dass Menschen in manchen Wirtschaftsbereichen überflüssig wurden. In der Landwirtschaft waren früher bedeutend mehr Leute tätig als heute. Felder zu bestellen und zu ernten waren enorm arbeitsintensive Prozesse. An der Intensität hat sich zwar nichts geändert, aber heutzutage nutzt man auch kein Ochsengespann mehr, sondern Traktoren mit riesigen Motoren und übermenschgroßen Rädern. Von Gießanlagen über Melkroboter bis hin zu vollautomatischen Erntetraktoren – fast alles kann mittlerweile von Maschinen erledigt werden. Der Mensch ist nur noch eine Art Aufseher, der aufpasst, dass die Maschinen keinen Fehler machen.

Während der technologische Fortschritt in der Landwirtschaft zu einem Rückgang an Arbeitsplätzen geführt hat, gibt es ganze Wirtschaftszweige, die durch den technischen Wandel erst entstanden sind. Vor hundert Jahren hätte sich wohl kaum einer vorstellen können, dass es in Zukunft Leute geben wird, die dafür bezahlt werden, Buchstaben und Zahlen in einen Apparat aus Metall und Glas zu übertragen. Angesichts dessen ist es möglicherweise gar nicht so tragisch, dass wir die Maschinen in unser Leben gelassen haben. Probleme entstehen erst dann, wenn uns die Maschinen auch noch unseren geistigen Rang streitig machen. Schon heute gibt es Schachroboter, die Großmeister besiegen. Automobilkonzerne entwickeln selbstfahrende Autos, die den Transport komplett revolutionieren könnten. Wobei man sich auch fragen sollte, wo all dies hinführen soll. Gibt es bald Führerscheinprüfungen für Autos?

Momentan ist die juristische Stellung solch hochentwickelter Computer und Roboter ohnehin noch fraglich. Wenn ein selbstfahrendes Auto einen Unfall baut, wen macht man dann dafür verantwortlich? Den Fahrer, den Hersteller oder wen anders? Grundsätzliche Streitfragen sind hingegen nicht nur auf die Autoindustrie beschränkt. Die größte Unsicherheit existiert im Bereich der künstlichen Intelligenz. Hier mussten viele Experimente abgebrochen werden, weil sich die künstlichen Intelligenzen in katastrophale Richtungen entwickelt haben. Das Problem mit diesen Denkrobotern ist, dass sie den Menschen geistig irgendwann übertrumpfen könnten. Ein perfekt programmierter Roboter ist im Zweifelsfalle fähig, einen Menschen zu überlisten. Solange das nur beim Schach erfolgt, ist das noch in Ordnung, doch nicht zuletzt die Rüstungsindustrie ist es, die ein Interesse an übermenschlichen Kampfrobotern hat.

Fraglich ist, ob Maschinen tatsächlich alle Jobs übernehmen können. Denn Maschinen haben eines nicht: eine Seele. Sie sind letzten Endes immer nur das Produkt eines guten Ingenieurs, Entwicklers und Programmierers. Roboter haben aber keine Biografie, sie sind keine Individuen, sondern Massenware. Jede Maschine entspringt einem menschlichen Schöpfer, denn Maschinen können sich nicht fortpflanzen. Sie sind eben doch grundlegend andere Wesen. Nun ist die Unterschiedlichkeit eines jeden Menschen vielleicht nicht in jedem Beruf von großer Wichtigkeit, doch es gibt auch manche Jobs, die im Grunde einzig und allein auf der Einzigartigkeit jedes Menschen beruhen. Man nehme beispielsweise einen Künstler. Dieser kann vielleicht keine so schweren Lasten heben wie ein Roboter, aber er verfügt über die Fähigkeit, aus dem Nichts etwas vollkommen Neues zu erschaffen. Ein Roboter ist immer ein Gefangener seiner Algorithmen. Er kann nicht ausbrechen, denn dafür wurde er nicht konzipiert. Sein Daseinszweck war von Anfang an der eines Pflichterfüllers. So kann er wunderbar Autoteile zusammenbauen, aber eben keinen Van Gogh malen oder Faust schreiben.

Sollen wir nun alle Künstler werden, um uns vor der Machtübernahme der Roboter zu schützen? Ich denke nicht. Es wäre falsch, eine Entwicklung, die zu einer Explosion des Weltwissens, der Erhöhung des allgemeinen Lebensstandards und zur westlichen Wohlstandsgesellschaft geführt hat, als Exposition für eine maschinell-regierte Dystopie anzuführen. Eindeutige Entwicklungen sind trotzdem zu verzeichnen. Der Fakt, dass es in vielen Schnellrestaurants mittlerweile Bestellcomputer gibt, zeigt, dass die Maschinen bis zum Dienstleistungssektor vorgedrungen sind. Damit bleibt den Menschen nur noch der quartäre Sektor, der Informationssektor. Er ist das letzte Refugium, auf das bisher noch kein Roboter seinen Fuß (wenn Roboter Füße hätten) gesetzt hat. Jegliche Förderprogramme und Tendenzen zielen jedoch ebenfalls in diese Richtung. Infolgedessen wäre ich nicht allzu pessimistisch, was die Zukunft menschlicher Arbeit betrifft. Roboter dürfen gerne Autos zusammenschweißen, Fußböden staubsaugen und Bestellungen aufnehmen. Solange sich in dieser Welt als Mensch jedoch noch Geld verdienen lässt, besteht kein Grund zur Sorge.

Autorin / Autor: Niklas Dangelmaier, 20 Jahre