Mehr als nur Entschlacken

MISEREOR sieht Fasten auch als Ausstieg aus konsumorientiertem Lebensstil

Teller mit Löffel

Nach Karneval beginnt für viele Christen wieder die Fastenzeit. Auch Menschen, die keiner Religion angehören, nutzen die Zeit bis Ostern, um ein paar Fastenvorsätze in Angriff zu nehmen. Allerdings verzichten die meisten Menschen (47 Prozent) hauptsächlich auf Alkohol und Süßigkeiten, wie eine aktuelle repräsentativen Befragung des Meinungsforschungsinstituts YouGov unter mehr als 2000 Personen ergab, die MISEREOR in Auftrag gegeben hat. 30 Prozent verbannen während der Fastenzeit Fleischgerichte vom Speiseplan, 23 Prozent lassen das Rauchen sein und 15 Prozent trinken keinen Kaffee. Am Schwersten tun sich die Deutschen aber mit dem Verzicht auf Handy und Computer (sieben Prozent), das Auto lassen nur acht Prozent stehen und den Fernseher schalten nur neun Prozent aus.

Befragt nach den Fastenzielen nannten die Befragten an erster Stelle "Entgiften/Entschlacken", "gesünder und bewusster leben" und "das Gewicht reduzieren". 24 Prozent finden, dass man mit dem Fasten auch Gewohnheiten in Frage stellen sollte, nur zwölf Prozent verbinden mit dem Fasten eine Entschleunigung des Alltags, und gar nur sechs Prozent betrachten den zeitweisen Verzicht als Motiv, für Menschen in weniger privilegierten Ländern zu spenden.

*Als hätten wir mehrere Erden zur Verfügung*
Dass Fasten aber genau das leisten kann, nämlich Menschen für dringliche gesellschaftliche Fragen zu sensibilisieren, wurde bei einem Medienseminar zum Thema deutlich, zu dem MISEREOR eingeladen hatte. Georg Stoll, entwicklungspolitischer Referent der Organisation, stellte heraus, dass Fasten und Teilen zusammengehörten. Und dies nicht nur, um global gerechtere Lebensverhältnisse für alle zu schaffen. "Sondern auch, weil wir mit unserem konsumorientierten Lebensstil in Deutschland so tun, als hätten wir mehrere Erden zur Verfügung. Verzicht ist keine Selbstkasteiung, sondern die Entdeckung guten Lebens jenseits der vielfältigen Konsumzwänge." Fasten sei eine gute Gelegenheit, Wege zu einem besseren und freieren Leben zu entdecken – für sich selbst und andere. Stoll kritisierte, dass im politischen Raum kaum jemand den notwendigen radikalen Umbau hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft in der erforderlichen Konsequenz vorantreibe. "Da wird gerne das Arbeitsplatzargument vorgeschoben – während in Zusammenhang mit Digitalisierung und Industrie 4.0 gleichzeitig die Veränderung der Erwerbsarbeit gepredigt wird."

Pirmin Spiegel, Hauptgeschäftsführer von MISEREOR, appellierte dann auch an die künftige Bundesregierung, in stärkerem Maße die sozial-ökologische Umgestaltung Deutschlands voranzutreiben. Das Sondierungspapier von Union und SPD biete in dieser Hinsicht zu wenige Ansätze. "Ich habe den Eindruck, dass die Gesellschaft, was die Bereitschaft zur Veränderung betrifft, deutlich weiter ist als die Parteipolitik."

*43 Tonnen Ressourcen pro Jahr*
In Europa liegt der Ressourcenverbrauch, erkennbar am sogenannten materiellen Fußabdruck, nach Angaben von Carolin Baedeker vom Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt, Energie bei circa 43 Tonnen pro Kopf und Jahr, die USA verbrauchen fast 80 Tonnen, Afrika kommt im Schnitt dagegen nur auf acht bis zehn Tonnen. Als nachhaltiger Zielwert wird vom Wuppertal-Institut für das Jahr 2030 eine Größenordnung von 17 Tonnen pro Kopf und Jahr angegeben. Baedeker stellte den sogenannten Ressourcen-Rechner ihrer Organisation vor, mit dem jeder und jede den jeweils individuellen Verbrauch ermitteln kann (www.ressourcen-rechner.de).

Die Ehrenvorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz, Angelika Zahrnt, sieht hier die Politik in der Pflicht. Sie forderte die verschiedenen Akteure, von den Kommunen bis zur Bundesebene, auf, die notwendige Infrastruktur für eine ökologischere Lebensweise bereitzustellen. "Wir müssen die Bedingungen so gestalten, dass es leicht fällt, sich umweltgemäß zu verhalten. Dabei sollte zum Beispiel klar sein, dass wir nicht nur andere Autos, sondern auch weniger Autos brauchen."

Fazit am Ende des Seminars: In einer Gesellschaft wie Deutschland wird es uns nicht immer einfach gemacht, den eigenen Lebensstil wirklich auf das global vertretbare, "enkeltaugliche" Maß umzustellen. Doch Verzicht ist machbar und kann sogar bereichernd sein.
"Heute schon die Welt verändert?", lautet das Leitwort der diesjährigen MISEREOR-Fastenaktion, die am 18. Februar in München eröffnet und gemeinsam mit der Kirche in Indien veranstaltet wird. "Auch dabei wird es darum gehen, sich anzuschauen und zu fragen, was jede und jeder beitragen kann, um Armut zu bekämpfen, Ressourcen und Mitwelt zu schonen und einer größeren Gerechtigkeit zum Durchbruch zu verhelfen", betonte Spiegel.

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Autorin / Autor: Pressemitteilung/ Redaktion - Stand: 22. Januar 2018