Die Macht der Vernetzung

Caroline Lindo zaubert aus Altkleidern fantasievolle Hängematten und "Netzwerke", die auch spirituelle Bedeutung haben.
Theresa Wald von "Start Upcycling" hat sie interviewt.

Bild: textilehunters.com

Caroline ist eine Performance- und Installationskünstlerin, die hauptsächlich mit Textilien, Ritualen und Spielen arbeitet, um den spirituellen Horizont zu erweitern. Die Philosophie, die sie antreibt, ist, dass der beste Weg die Zukunft vorherzusagen ist, sie selbst zu gestalten. In ihren Arbeiten ergründet sie die Verbindung zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren. Sie visualisiert und kreiert Netzwerke und Verbindungen. Sie interessiert sich vor allem für die Arten, auf die Menschen miteinander, mit sich selbst, mit Ideen [...] und der Erde verbunden sind.

Sie studierte Mode- und Textildesign an der Gerrit Rietveld Academy und hat unter anderem für Greenpeace Netherlands gearbeitet.

Warum hast du mit dieser Art textilem Upcycling angefangen?

Es ist kompliziert, neue Sachen zu kaufen, wenn dir umweltfreundliche Textilien und die Art und Weise, wie sie produziert werden, wichtig sind. Darum fing ich an, Altkleider zu sammeln – und das war so unglaublich einfach. Ich habe über Jahre keine neuen Kleider mehr gekauft. Das ist etwas, was jeder tun kann, um Abfall zu verhindern.

Und dann habe ich neue Wege entdeckt, Abfälle oder Textilien zu upcyclen. Du kannst deine Klamotten pimpen oder einen Knopf annähen, aber manchmal willst du einfach etwas anderes damit machen. Und so bin ich darauf gekommen, neue Seile zu kreieren.

*Was magst du an diesen Seilen?*
Sie bilden superstarke Netze. Du kannst darauf springen oder darauf herumliegen, auf Festivals zum Beispiel. Seile herzustellen hat viele Bedeutungen und es kann spirituell sein. Guck dir den Prozess des Drehens der Streifen an, jeder Streifen muss sich um sich selbst drehen. Das ist als ob Leute meditieren, um sich selbst kennenzulernen – aber nicht zu sehr. Denn wenn die Kordeln sich zu stark verdrehen, kriegen sie Beulen. Wie wenn Leute zu selbstverliebt sind und das dann problematisch wird.

Wenn du zwei Streifen verdrehst und miteinander kombinierst, dann drehen sie sich automatisch umeinander. Ich denke, das ist das, was auch in guten Partnerschaften passiert. Die sind vollständig miteinander verbunden und total zufrieden damit. Wie zwei Menschen, die gut drauf sind und ihr Dasein miteinander verknüpfen wollen. Das ist, was du mitnimmst, wenn du mit Textilien arbeitest. Das ist wie ein Ritual, das du in dem Prozess in Kraft setzt.

So bedeutet die Arbeit mit Textilien auch, dieser Spiritualität zu folgen. Das ist es, was mich interessiert. Es geht nicht nur darum, mit den Materialien zu arbeiten. Ich möchte Menschen mit den Textilien verbinden, aber auch mit sich selbst. Ich kann nicht nur die Technik lehren und das war es… weil es so viel mehr ist.

*Wie bist du zum Upcycling gekommen?*
Ich habe im Textil-Design gearbeitet, darum kannte ich mich mit Textil-Techniken aus. In der Zeit habe ich gesehen, wie viel Textilien weggeschmissen werden. Ich mag es wirklich nicht, neue Klamotten zu kaufen, weil die Leute wirklich keine Ahnung von den nachhaltigen Aspekten haben – woher sie kommen, welche Farben verwendet wurden, ob das Material umweltfreundlich ist. Darum bin ich in Organisationen wie Greenpeace aktiv geworden und wollte wirklich nicht noch mehr Zeug in die Welt setzen, sondern eher etwas tun, damit es weniger wird. Aber dann ist mir klar geworden, dass du Sachen verwenden kannst, die schon da sind. Alles, was du willst, ist schon da… Irgendwo. Wenn du kreativ bist und dir Gedanken über die Umwelt machst, findest du garantiert die Sachen, die du brauchst. Irgendwie hat diese Einstellung für mich immer gepasst. Am Anfang haben wir gedacht, wir müssten Jagd auf Stoffe machen, um Upcycling zu machen. Das ist der Grund, warum wir auf den Namen „textile hunters“ gekommen sind. Aber nach ein paar Jagdausflügen mit meinem Fahrrad und meinen Beuteln, wussten die Leute, dass ich sammle und haben die Textilien selbst zu mir gebracht. Darum musste ich seit Jahren nicht mehr nach Material gucken.

*War es schwierig für dich, ein Upcycling-Unternehmen zu gründen?*
Also, ein bisschen ist es mir einfach so passiert. Es hat angefangen mit Anfragen von Leuten, die Upcycling-Artefakte für Hochzeiten haben wollten. Ich war bekannt für alternative Hochzeitsrituale. Ich habe versucht, weggeworfene Materialien zu nutzen, um symbolische oder rituelle Objekte zu kreieren wie ein Pferd oder einen fliegenden Teppich, der Bedeutung für das Paar haben würde. Dann haben mich viele Leute gefragt, ob ich die Objekte wieder zurücknehme, weil sie keinen Platz hatten, das zu lagern. Also habe ich sie zurückgenommen und an andere Leute oder Festivals vermietet. Außerdem konnte ich auf diese Weise Dinge besser wieder in Stand setzen, weil ich besser wusste, wie man es reparieren kann, so dass es nicht weggeworfen werden muss.

Und so hat sich das Geschäft von selbst entwickelt, auf natürliche Weise.
Ich mache auch viel umsonst für Festivals oder Leute, die gute Anliegen, aber wenig Geld haben. Ich habe viel für mich daraus gezogen. Jedes Mal, wenn die rituellen Gegenstände verwendet wurden, gewinnen sie mehr Kraft. So machen sie die Leute glücklich und dann bin ich auch glücklich, das ist wirklich eine gute Bezahlung für mich.

*Viele Leute wie du, die einem grünen Business nachgehen, schwören auf sharing economy. In anderen Geschäftsfeldern scheint es nie um Open Source zu gehen.*
Nachhaltigkeit und Kapitalismus passen überhaupt nicht zusammen. Weil der Kapitalismus seine Wurzeln in dem Gedanken hat, dass es nie genug gibt. Du musst so viel anhäufen, wie du kannst und mehr als du brauchst – je mehr desto besser. Hingegen geht es bei Nachhaltigkeit darum, darauf zu vertrauen, dass etwas zu dir kommt, wenn du es brauchst. Da ist eine Fülle auf dem Planeten, der du vertrauen kannst. Wenn du das tust, dann nimmst du nicht mehr als du brauchst. Bei der Art, wie ich arbeite, muss es immer einen Ausgleich geben. Es gibt immer ein Einatmen und ein Ausatmen, aber bei der Bezahlung geht es nicht immer darum, Geld zu verdienen. Es kann auch meine Freude sein, etwas zu unterstützen. Wenn ich das Gefühl habe, dass der Austausch nicht fair ist – etwa, weil Leute einfach nur Geld machen wollen – dann will ich es auch nicht unterstützen. Das ist der Grund, warum wir ehrlich mit unseren Werten sein müssen, um besser zu verstehen, wie wir tauschen und handeln können.

*Wir arbeiten mit Menschen zusammen, die neue Perspektiven brauchen, Job-Chancen und positive Motivation, sich selbst versorgen zu können. Würdest du diesen Leuten empfehlen, bereits vorhandene Ressourcen zu nutzen, um vielleicht selbst ein Start-Up zu gründen?*
Das hängt von der Person ab. Jeder Mensch hat etwas zu tun und zu erreichen. Also müssen die Leute sich selbst fragen: Was würde ich tun, wenn ich die Art zu arbeiten frei wählen könnte – nicht nachdenken müsste über Geld und Abhängigkeit und Sicherheitsaspekte. Vielleicht ist das Rechnen, Handwerk oder Sport. Wenn du herausgefunden hast, was es ist, dann mach es einfach und dann wirst du auch einen Weg finden, damit Geld zu verdienen. Wenn das Bedürfnis mit Handarbeit und Kreativität zu tun hat, dann ist es definitiv gut, weggeworfene Materialien zu upcyceln. Lass dich davon inspirieren, was das Material macht. Manche fühlen sich mehr angezogen von harten Materialien wie Holz, andere von weichen wie Stoffe. Folge dem, was dich reizt und spiele damit. Du kannst dich auch von YouTube, Pinterest oder anderen Plattformen inspirieren lassen, um anzufangen.

Kreative Produkte brauchen Zeit. Erwarte nicht, dass du in der Lage sein wirst, dich für jede Stunde zu bezahlen, die du da rein investierst. Es ist eine Investition deiner Zeit, aber von Anfang an wirst du wahrscheinlich irgendetwas machen (auf Märkten oder ähnlichem), so dass zumindest die Unkosten ausgeglichen werden, dass dann ein bisschen was oben drauf kommt, sollte erreichbar sein.

*Zu guter Letzt: Welche Art Abfälle sollten mehr geupcycled werden?*
Ich denke, dass wahrscheinlich Materialien, die schwieriger zu verarbeiten sind, wie Glas, mehr geupcycled werden sollten, weil die Leute nicht die Möglichkeiten und das Material haben, es zu bearbeiten. Für Glas brauchst du beispielsweise einen wirklichen guten Ofen und hohe Fertigkeiten. Es ist auch möglich, sich Kollektiven anzuschließen oder Workshops zu nutzen, die Platz und Ausstattung für deine Produktion zur Verfügung stellen. Darum ist es so wichtig, solche Orte zu unterstützen, weil sie die Kreativität und Co-Working fördern.

Autorin / Autor: Caroline Lindo / Interviewfragen von: Theresa Wald , Start upcycling / Übersetzt von Katja Reerink - Stand: 12. September 2017