Realität

Einsendung zum Wettbewerb #netzheldin von Jenny, 18 Jahre

Manchmal ist es unmöglich zwischen den Realitäten einen Unterschied zu machen. Realität! Realität! Lebe in der richtigen Welt!
Was ist die richtige Welt? Was ist Realität?
Für Manche ist es Realität, jeden Morgen aufzuwachen und jeden Tag das gleiche zu tun. Doch andere sehen die Realität in der virtuellen Welt. In den vielen Bildschirmen, die man jeden Tag zu Gesicht bekommt.
Ist es richtig, dass man schon in der dritten Klasse ausgegrenzt wird, weil man kein WhatsApp hat?
Würde man eine Umfrage starten, gäbe es hauptsächlich Kommentare wie: „Ich würde meinem Kind niemals so jung schon ein Handy geben!“
Für Viele nachvollziehbar.
Aber seien wir mal ganz ehrlich. Mütter, die Kinder haben. Geschwister, die kleinere Schwestern oder Brüder haben, sehen hinter einem solchen Kommentar nur eine hysterische Mutter, die keine Ahnung von der Realität hat.

Ich möchte euch nun eine Geschichte von einem Mädchen erzählen. Einer Schwester. Einer Tochter. Sie ist nun elf Jahre alt.
Das Mädchen geht nun in die fünfte Klasse. In die G5a gehen 24 Kinder. Darunter haben 22 Kinder ein WhatsApp fähiges Handy. Alle 22 sind in einer WhatsApp Gruppe in der täglich ca. 100 Nachrichten verschickt werden.

Die anderen zwei Kinder, sind die Kinder der Mutter, die versucht ihre Kleinen wohlbehütet aufwachsen zu lassen. Die will, dass sie draußen Baumhäuser bauen. Und die beiden Kinder sind die einzigen, die nicht wissen, dass Lenny gestern Annika ein Bild mit einem Weihnachtsmann geschickt hat, der laut „Ho Ho Ho“ ruft.
Keines der Kinder versucht die anderen beiden auszugrenzen, doch es ist einfach schwer die beiden zu erreichen. Oder einfach zu aufwendig?
Das Mädchen, über das ich berichte, hat in ihrer Klasse viele Freunde. Sie ist offen, wunderschön aber auch sehr autoritär. Ihr Name ist Janina.
Außerdem gibt es da auch noch dieses andere Mädchen. Lissy. Aufbrausend, besitzergreifend und furchtbar eifersüchtig.
Lissy und Janina sind schon seit der Grundschule in einer Auf-und-Ab Freundschaft. In diesem Fall führte das Handy zu Problemen. Probleme die sonst nicht entstanden wären.

Lissy : Hey Nini! Lass uns morgen in der ersten Pause was machen :)
Janina (zuletzt online heute um 15:21)
Janina: /Nachricht gelesen/
Janina (zuletzt online heute um 15:38)
Lissy: ?? Ò_Ó
Janina: Kann nicht. Mach schon mit Vivi was. Sorry... :/
Lissy: Ja war klar. Vivi ist ja auch deine Beste Freundin. Und warum gehst du online und antwortest mir dann nicht!??!!
Janina: Du bist auch meine BF. <3 Ich hab die Nachricht nicht gesehen. Sorry... :/
Lissy:Klar. Ich bin deine BF? Du bist nicht meine BF. IDu hast die Nachricht gesehen. Da waren blaue Häckchen! -.- Du hast wahrscheinlich mit Vivi geschrieben!
Janina: Hab ich nicht! Warum bin ich nicht deine BF?
Lissy: Guck dir mal wie ich dich eingespeichert habe. (Bild)
„Tusse! Blöde Kuh! Scheiß Freundin!“ (online)
Janina: /Nachricht gelesen/
Lissy hat ihren Status geändert: „Annika, Enya, Sue, Fredi, Lilly ihr seit meine ABFFIUE! Ich liebe euch so sehr! Janina ist schei++“

Ist es nicht genau das, was die hysterischen, überfürsoglichen Mütter verhindern wollen. Nachdem ich diesen Chat gelesen habe, konnte ich sie verstehen. Am liebsten hätte ich meiner kleinen, süßen Schwester, die sich mit solchen Sachen noch gar nicht beschäftigen sollte, das Handy weggenommen und dieser Lissy persönlich alle möglichen Beschimpfungen an den Kopf geworfen. Warum tut man so etwas?
Meine kleine Schwester hat geweint, weil ein anderes Mädchen ihren Status geändert hat. Ist das denn richtig? Ist es richtig, dass man jemanden mit wenigen Worten so verletzen kann?

Hätte Lissy Janina persönlich an den Kopf geworfen: „Du bist schei++“, dann hätte Janina eine schlagfertige Antwort gehabt und hätte dann mit ihren anderen Freundinnen darüber gesprochen.
Doch das was Lissy getan hatte, war öffentlich. Sie hatte meine Schwester öffentlich degradiert.
Es gibt schlimmere Geschichten, das ist klar. Kinder die im Internet von allen gemobbt werden und auch im richtigen Leben keine Freunde haben. Niemanden an den sie sich wenden können.

Doch dieser Vorfall war für mich so schlimm, dass ich meiner Schwester keinen Rat geben konnte. Was hätte man auch tun sollen?
Das Einzige was ich Janina sagen konnte, war dass sie in der Realität leben sollte. Das sie einfach ignorieren sollte, was Lissy in ihrem Status schrieb.
Realität. Dieses kleine Wörtchen mit einer so großen Bedeutung. Ist denn das Leben außerhalb des Netzes von der virtuellen Welt zu unterscheiden? Ja, das ist es. Doch ist es möglich einen Unterschied zu machen? Nein, das ist es nicht.
Janina würde am nächsten Tag in die Schule kommen und 22 von 24 Leuten würden wissen, dass Janina nicht mehr Lissys BF ist. Ob Janina nun noch so beliebt in der Klasse ist, hängt davon ab ob es heißt:
„Sorry, Janina. Lissy hat schon gefragt ob wir was machen wollen. Und wir können ja nichts zu dritt machen, weil ihr ja keine Freundinnen mehr seit.“ oder ob es heißt „Eigentlich hat Lissy schon gefragt, aber egal. Die war ja so gemein zu dir.“
Ganz ehrlich? Das Erstere ist wahrscheinlicher. Also heißt es Wut runterschlucken und die Gemeinheiten ignorieren.

Es gab nichts, was ich hätte tun können. Rein gar nichts.
Janina hatte aufgehört zu weinen und nahm wieder ihr Handy in die Hand. Ich wollte ihr gerade sagen, sie solle es doch weg legen, da fing sie plötzlich zu lachen an.
Was ist ?, wollte ich fragen, als sie mir das Telefon in die Hand gab.

Vivi <3 hat die Gruppe „BBF's“ erstellt
Vivi: Habt ihr schon Lissys neuen Status gesehen? Das ist ja mal mega fies.
Sue: Ja mega. Das ist ja mal voll schei++ für Janina.
Vivi <3: Soll ich Lissy mal schreiben? Vielleicht löscht sie den dann ja wieder.
Sue: Ja mach mal! (daumen hoch)
Lissy hat ihren Statuts geändert: Ihr seit alle meine ABFFIUE! Janina <3
Lissy: Hey <3 Janina das tut mir voll leid. Vivi, Enya und Sue haben mir alle geschrieben.
Das war nicht fair, was ich geschrieben habe. Sorryyyy? o.o

Schon wenige Worte können Menschen sehr verletzen, aber auch sehr glücklich machen. Heldinnen können starke Frauen mit Schwertern sein, aber auch kleine Mädchen, die ihre Freundinnen unterstützen. Für mich sind diese Mädchen Heldinnen, denn sie haben einen Streit, der hätte ausarten können durch Mut und Stärke im Keim erstickt. Sie taten etwas, was Ältere nicht gekonnt hätten. Sich nicht getraut hätten. Und das ohne Beleidigungen. Ohne Ausgrenzungen.
Realität und Realität. Es hängt doch so dicht beieinander. Mut und Stärke. Kraft und Autorität. Etwas zu tun und das Ende noch nicht zu kennen. Und mit nur wenigen Worten ein kleines Mädchen wieder zum Lachen zu bringen.

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