Bernd84

Einsendung zum Wettbewerb #netzheldin von Ronja, 19 Jahre

„Schickst du mir ein heißes Foto von dir? Ich hätte dich jetzt so gerne bei mir, aber du bist so weit weg. Wenn du bei mir wärst, würde es dir so viel besser gehen“
Anne starrt auf das Display ihres Laptops. Wie soll sie das anstellen? Und wie heiß soll es sein? Anne senkt den Laptop etwas, so dass sich die Kamera auf ihre aufgeknöpfte Bluse richtet. Sie zieht ihr Oberteil noch etwas nach rechts, so dass die Spitze ihres weißen, unschuldigen BHs sichtbar wird. Sie macht einen lasziven Schmollmund, pusht ihre Brüste mit ihren Armen zusammen und betrachtet sich in der Innenkamera des Laptops. Etwas unsicher ist sie schon. Sie drückt auf den Auslöser. Senden.
„Du bist so schön, kleine Anne! Ich würde so gerne sehen, was unter deiner Bluse ist!“

Anne lächelt die Zeilen an. Er findet sie schön. In ihrer Klasse ist sie immer nur die „flache Anne“ oder „das Brett mit Nippeln“. Alle anderen Mädchen tragen ein pralles C-Körbchen, wohingegen Anne ganz knapp ein winziges A-Körbchen ausfüllt. Also fast gar nichts. Aber er findet sie schön. Anne zieht ihre Bluse aus, legt sich aufs Bett und spielt mit ihrem Finger um ihre Lippen. Auslöser. „Anne, hast du noch Wäsche in deinem Zimmer?“ kommt es vom Flur und Anne hört die Schritte ihrer Mutter. Oh Gott! Senden. Die Tür geht auf und ihre Mutter starrt sie an. „Was machst du denn da?“, kommt es und Anne haut schnell den Laptop zu. „Gar nichts!“, piepst Anne und läuft knallrot an, als sie nach ihrer Bettdecke greift. „Machst du etwa Fotos in Unterwäsche?“, ihre Mutter guckt sie entsetzt an. „Nein! Und selbst wenn, dann geht dich das gar nichts an! Hast du außerdem schon mal was vom Anklopfen gehört?“, verteidigt sich Anne. Ihre Mutter macht den Mund auf um etwas zu sagen, als Ben im Wohnzimmer anfängt zu schreien. Er zahnt gerade und ist lauter als jede Sirene. Annes Mutter verdreht die Augen und rennt ins Wohnzimmer. Glück gehabt. Anne öffnet den Laptop wieder.

„Ziehst du deinen BH für mich aus, wunderschöne Anne?“
Ob er ihr noch zurückschreiben würde, wenn er sieht, wie wenig Brust sie hat? Aber er findet Anne wunderschön. Natürlich wird er ihr antworten. Mit einem unsicheren Lächeln öffnet sie den Verschluss. Auslöser. Anne guckt sich das Foto nochmal an. Senden. Ihr Blick fällt auf die Uhr. Erschrocken springt Anne auf. Sie muss zum Bus!

Ben schreit die ganze Autofahrt. „Und mach immer schön, was die Lehrer dir sagen. Hab Spaß mit mit deinen Klassenkamerden und versuch doch mal ein paar mehr Freunde in der Klasse zu finden!“, redet ihre Mutter hinterm Steuers, als sie gerade auf den großen Parkplatz fahren, wo sich schon ihre Mitschüler vor dem Bus versammelt haben, um die besten Plätze zu bekommen. Die Coolen sitzen immer hinten. „Viel Spaß, Süße!“, ihre Mutter drückt Anne nochmal einen dicken Kuss auf die Wange, als Anne ihre kleine Reisetasche Richtung Bus schleppt. Sie setzt sich auf einen der vorderen Plätze.

„Seht zu, dass ihr alle eure Sachen habt und lasst keinen Müll im Bus! Bezieht eure Zimmer und kommt dann runter in den Gemeinschaftsraum. Dort gibt’s dann für alle Abendessen. Es ist schon recht spät, also beeilt euch.“, schreit Frau Berg aus dem vorderen Abteil des Busses. Endlich am Hostel angekommen,  bezieht Anne ihr Zimmer mit Sophia, Theresa und Leila und isst mit ihnen zu Abend. Sie sagt kaum was, als die anderen drei Freundinnen lachend am Tisch sitzen.

Später im Bett starrt Anne die Decke an. „Und dann hat er mich geküsst und gesagt, wie toll er mich findet! Seit dem Augenblick sind wir ein Paar“, schwärmt Leila. Sophia seufzt: “Ich wünschte Tom würde auch so sein, aber das einzige was er macht ist auf irgendwelchen Pornoseiten im Internet abzuhängen, wodurch er mir kaum Beachtung schenkt! Ich fühl mich, als könnte ich mit den ganzen heißen Playboys einfach nicht mithalten!“ Theresa setzt sich aufrecht ins Bett und sagt:“ Das ist doch eh alles Bearbeitung und Fake im Netz! Mach dir da mal keinen Kopf! Hast du eigentlich einen Freund, Anne?“ Anne vermisst ihn. “Ja, habe ich. Er ist toll, aber reifer, als die Jungs aus unserer Klasse. Er findet mich wunderschön!“, schwärmt Anne. Alle drei Mädels grinsen und gucken Anne erwartungsvoll an, als Sophia nach einem Foto fragt. „Das ist privat. Das möchte ich nicht mit euch teilen“, weicht Anne aus. Sie hat kein Foto. Sie weiß nur, dass er Bernd84 heißt. Sophia verdreht die Augen und entgegnet:“ Dann gibt es den Kerl auch nicht!“ Anne sagt nichts.

Die Tage auf der Klassenfahrt scheinen endlos. Anne möchte nachhause und wissen, was er macht. Wissen, wie ihm ihr letzes Foto gefallen hat. Sie kann es nicht mehr abwarten und beschließt, ein paar Euro zu investieren, um den Computer im Gemeinschaftsraum zu nutzen. Auf dem Weg nach unten läuft Anne über den Flur der Jungs. “Hey, Nippelbrett! Bekomm ich ein paar Fotos von dir?!?“, kommt es aus einem Zimmer und es folgt großes Gelächter. Was soll das denn? Anne ist es ja schon fast gewöhnt, denkt sie sich und startet den Computer. Zuerst loggt sie sich in Facebook ein und scrollt ihre Startseite runter. Sophia, Leila und Theresa haben ein Gruppenselfie gepostet. Ganz viele Likes. Sie scrollt weiter. Was ist das denn? Entsetzt schaut sie auf den Display. Tom hat ein Foto gepostet. Die Kommentare:
„Oh, da sieht aber jemand rattig aus!“

„Was ist das denn? Ein Kerl dessen Nippel angeschwollen sind?! Also Titten sind das für mich nicht! LOL“
„Tom Junge, auf welcher Pornoseite hast du das denn gefunden? Flachesbrett.com oder was? xD haha“

Anne sieht sich selber auf dem Bildschirm. Sie liegt nackt auf ihrem Bett und grinst in die Kamera. Das darf nicht wahr sein! Mit rotem Kopf rennt sie die Stufen hoch. Gelächter und Gestöhne hallt im Flur, als Anne wutentbrannt die Tür von Zimmer 6 aufreißt. „Woher hast du das Foto, Tom? Lösch es! Sofort!“, schreit Anne. Tom legt sich auf sein Bett und ahmt Annes Pose vom Foto nach, zieht lachend Kreise um seine Nippel und lässt seine Zunge spielen. Die anderen Jungs schmeißen sich lachend auf den Boden. Die wissen alle, wie Anne nackt aussieht. Scham steigt in ihr auf. Sie verschränkt die Arme vor ihrer Brust. Tränen steigen ihr in die Augen. Sie dreht sich um und versucht sich einen Weg durch ihre Mitschüler zu bannen. Zwei klatschen ihr auf den Po. Die andren lachen. Sie rennt ins Badezimmer, knallt die Tür und sinkt erschöpft zu Boden. Wie kann das nur sein? War es ernsthaft Bernd? Aber er findet sie doch so schön. Er war doch immer so nett zu ihr und hat sie verstanden, als sie von ihren Problemen erzählt hat. Er kann das Bild doch nicht irgendwo online gestellt haben. Ihr laufen Tränen über ihr Gesicht. Ihr Mund ist offen und wie sie auf den kalten Fliesen des Badezimmers sitzt, sieht sie aus, als würde sie stumm schreien. Ganz laut. Ganz laut in sich hinein. Leere. Scham. Wut. Angst. Trauer. Sie weiß nicht, was sie fühlt. Aber es fühlt sich schrecklich an!

Bernd84 ist kein vertrauenswürdiger und verständnisvoller Zuhörer. Er sucht Frauen und Mädchen im Internet, die sich unwohl in ihrem Körper fühlen und abseits der Gesellschaft stehen. Frauen und Mädchen, die einen Zuhörer suchen und Komplimente mögen. Komplimente für ihren Körper und ihr Aussehen, weil sie es in der realen Welt so selten hören. Bernd84 macht gerne Komplimente. Er weiß, was er sagen muss um zu bekommen, was er will. Die meisten seiner Opfer, finden nie heraus, auf welchen Websites ihre Bilder landen. Und wenn sie es tun, dann frisst es sie von Innen auf. Wie Anne schämen sie sich, sie verzweifeln und versuchen wegzulaufen, der Situation zu entfliehen, dem Gelächter der Mitschüler zu entfliehen und den Vorstellungen, wer sich ihr Bild gerade anschaut und was diese Person damit macht. Manche Mädchen finden keinen Zufluchtsort und fliehen, wie Anne, in den Tod. Einsam.

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