Collateral Murder

Einsendung zum Wettbewerb #netzheldin von Lena Gottfriedsen, 23 Jahre

*“03:23: All right, hahaha, I hit [shot]’em”*
aus dem Transcript des geleakten Videos (collateralmurder.wikileaks.org/en/transcript.html)

Neulich saß ich vor meinem Laptop und wollte einen Essay über Chelsea Manning schreiben. Eine Person, deren Geschichte mich schon seit längerem beschäftigt. Nun wollte ich mich endlich einmal hinsetzen und Worte für meine Gedanken dazu finden. Ihrer Geschichte mit meinen eigenen Worten Ausdruck verleihen.
Aber noch hatte ich keinen Anfang gefunden. Keinen Faden, an den ich diese Geschichte binden könnte. Keine Worte, in die ich sie verpacken könnte, um sie weiterzugeben.
Manchmal mache mich dann auf ins WorldWideWeb und suche dort nach einem Aufhängungspunkt.

Ich wollte über Chelsea Manning schreiben, also besuchte ich die WikiLeaks-Seite „Collateral Murder“ (collateralmurder.wikileaks.org/en) und begann zu lesen:
Private Bradley Manning, ein 22-jähriger Nachrichtenanalyst der US Army, wurde am 6. Juli 2010 wegen der Veröffentlichung eines Videos angeklagt ...

War es wirklich Bradley Manning, der dieses Video veröffentlicht hat und dafür angeklagt wurde? Mr. Manning? Oder war sie es? Chelsea Manning? Eine Whistleblowerin, eine Netzheldin?

Auf der WikiLeaks-Seite steht nichts davon, dass die Person, die dieses Video veröffentlicht hat und als Bradley Manning dafür angeklagt wurde, inzwischen Chelsea Manning heißt. Davon, dass sie sich schon seit ihrer Kindheit als Frau fühlt. Es wird nicht darauf eingegangen, dass sie als Frau gesehen werden möchte. Laut WikiLeaks wurde Manning von Daniel Ellsberg als ‚Held‘ bezeichnet. Aber sie ist eine Heldin.

Ich las weiter auf der Seite und kam zu den Videos. Videos, die zeigen, wie eine Gruppe iranischer Zivilisten in Bagdad aus einem amerikanischen Kampfhubschrauber beschossen werden.
Kinder werden verwundet. Journalisten niedergeschossen. Journalisten, die jeden Tag ihr Leben riskiert haben. Sie waren dort, um für uns zu berichten.
Ihre einzige Waffe war ihre Kamera.

Ich habe mir das Video angesehen.

Es war als Aufhängungspunkt für meine Worte gedacht.

Jetzt fehlen mir die Worte.

Ich bin ich sprachlos.

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Autorin / Autor: Lena Gottfriedsen