Everyday Help

Einsendung zum Wettbewerb #netzheldin von Katja, 15 Jahre

Die kleine, etwas pummelige Frau setzte sich an den Schreibtisch und schaltete ihren Laptop ein. Während sie darauf wartete, dass der Startbildschirm erschien, schlürfte sie an einer Tasse Kaffee.
Zuerst checkte sie ihre E-Mails. Nur ein paar wenige und auch von keinen neuen Mädchen oder Jungs. Jungs schrieben sie eh nur selten an, da eher Mädchen Probleme hatten. Dann öffnete sie ihre Internetseite. Fünfzig Nachrichten und weitere 30 Kommentare. Ein Seufzer entfuhr der Frau.
Im Internet gab es viele Leute, die keinen Respekt vor anderen hatten. Immer wieder wurden Mädchen angeschrieben, belästigt, aber auch gemobbt. Manche mehr, manche weniger. Jungs hingegen werden nur selten gemobbt. Einfach dadurch, dass Jungs zusammen halten und die meisten Mädchen nicht den Mut haben. Und auch wenn sich Mädchen einmal trauen, jemanden zu ärgern, so auch nur andere Mädchen. Es gab viele verschiedene Gründe, wieso sie überhaupt andere verletzten.
Hass, Neid, Ekel, Angst. All diese Gefühle können von einer Sekunde auf die andere zu Cybermobbing führen, ohne es überhaupt gewollt zu haben.
Die Frau – die im Internet jeder als Aly kannte – begann damit, auf die Nachrichten und Kommentare zu antworten. Immer wieder beklagten Mädchen sich über die unfaire Behandlungen gegenüber ihnen oder die Freundinnen von Cybermobbing-Opfern schrieben sie an, damit sie einen guten Rat kriegen und somit ihren verschüchterten oder ängstlichen Freunden zu helfen.
Vor wenigen Monaten erst hatte Aly ihren Blog eröffnet und schon nach kurzer Zeit kamen immer mehr zu ihr, um Hilfe zu bekommen. Aly gab ihnen Rat, Trost und half ihnen viel. Manchmal sogar telefonierte sie mit einigen der Mädchen und vereinzelt sogar traf sie sich mit ihnen, falls sie die Zeit fand. Jedoch war dies sehr schwer.
Aly hatte einen Job als Sekretärin in irgendeiner Firma und war auch schon verheiratet. In ihrer Freizeit hing sie ständig an ihrem Laptop oder an ihrem Handy, um so vielen Mädchen wie möglich zu helfen. Da fiel ihr plötzlich eine Nachricht auf. Sie stammte von einem Jungen, erstaunlicherweise.

Hallo Aly,
mein Name ist Thorsten. Auch wenn ich sehe, dass eigentlich nur Mädchen Ihnen schreiben und es mir deshalb peinlich ist, so bitte ich Sie doch um Hilfe.
Ich… ich bin schwul und habe mich geoutet. Im Internet, wie auch im realen Leben. Während meine Freunde und meine Familie gut damit zurecht kamen, so fand ich nur Abscheu gegen mich im Internet. Viele machen sich über mich lustig und langsam macht dies mir echt zu schaffen. Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll.
Ich bitte sie innig… helfen sie mir.
MFG,
Thorsten

Alys Herz zog sich vor Mitleid zusammen. Sie kannte das Gefühl nur zu gut, ausgelacht zu werden. Denn sie war selbst mit einer Frau verheiratet. Ihre Antwort an Thorsten kam schnell. Sie verstand ihn. Spott und Ekel begleiteten sie tagtäglich. Nur wenige Mitmenschen verstanden, dass Liebe unkontrollierbar ist und es einem egal sein sollte, ob jetzt zwei Männer oder ein Mann und eine Frau zusammen waren.
Aly wusste, dass sie nicht viel tun konnte für jeden, der übers Internet oder auch im realen Leben gemobbt wurde. Doch trotzdem versuchte sie es. Denn was am meisten zählte ist der Versuch, wenigstens etwas unternommen zu haben, um jemanden zu helfen. Und wenn sie jemandem doch einmal helfen konnte, so freute sie sich innig für die Person, die diese harte Zeit überstanden hatte.
Hin und wieder fanden sich auch Hasskommentare bei der kleinen Frau ein, die meinten, ihre Hilfe würde doch gar nichts bringen, wenn zum Beispiel der Hilfeversuch nicht gelungen ist. Doch davon ließ sie sich nicht beirren. Das wichtigste ist durchhalten.
Gewisserweiße war Aly eine Heldin im Internet, auch wenn sie im alltäglichen Leben nur eine Sekretärin war.
Auch du kannst helfen. Du musst es nur wollen.
Und wer weiß. Vielleicht ist sogar deine unscheinbare Lehrerin eine dieser Netzheldinnen? Jeder Mensch kann einem anderen helfen. Du musst es nur versuchen.

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Autorin / Autor: von Katja, 15 Jahre