Lernen: Geschmackvoll und gestenreich

Je mehr Sinne beteiligt sind, desto besser lernen wir

Bild: LizzyNet

Hand auf´s Herz: Wie steht ihr zu eurem Vokabelheft? Macht ihr nichts lieber, als lange Wortlisten auswendig zu lernen oder würdet ihr die Vokabelsammlung am liebsten gegen die Wand schmeißen? Wer clever ist, sitzt nicht öde am Schreibtisch und versucht sich die Fremdsprache bewegungslos in den Kopf zu hämmern, sondern benutzt Methoden, die sich in vielen Schulen und Sprachkursen schon durchgesetzt haben. Zum Beispiel zusätzlich zum Text Bilder betrachten, oder sich bewegen. Die sogenannte multisensorische Lerntheorie besagt nämlich, dass das Gehirn leichter lernt, wenn mehrere Sinne gleichzeitig angesprochen werden.

Auch die neuen Studienergebnisse Leipziger ForscherInnen vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften bestätigen dies. In ihrer Studie haben die WissenschaftlerInnen eigens eine Kunstsprache mit den Namen Vimmi entwickelt, die ähnliche Lautregeln verwendet wie das Italienische. Dadurch war sichergestellt, dass die Vokabeln für alle StudienteilnehmerInnen gleich unbekannt waren. Junge Frauen und Männer sollten sich eine Woche lang die Bedeutung von abstrakten und konkreten Vimmi-Substantiven unter verschiedenen Bedingungen einprägen: Im ersten Experiment betrachteten die ProbandInnen ein zum Wort passendes Bild oder eine Geste, nachdem sie das Wort gehört hatten. Im zweiten Experiment malten sie das entsprechende Wort symbolisch in der Luft nach oder drückten es mit einer Geste aus. Die ForscherInnen überprüften dann zu unterschiedlichen Zeitpunkten nach der Lernphase, ob sich die StudienteilnehmerInnen noch an den Begriff erinnern konnten.

„Am besten konnten sich die Probanden an einen zu lernenden Begriff erinnern, wenn sie ihn selbst mit Gesten ausdrückten. Hörten sie den Begriff und seine Übersetzung und sahen zusätzlich ein Bild davon, konnten sie sich die Übersetzung ebenfalls besser merken. Das Nachzeichnen eines Begriffes und das Beobachten einer Geste unterschied sich dagegen nicht vom reinen Hören“, erklärt Katja Mayer, eine der ForscherInnen. Die Art und Weise, wie ein Begriff gelernt wurde, spiegelte sich laut den Wissenschaftlerinnen sogar in der Hirnaktivität wider. So waren unter anderem auch Gehirngebiete des Bewegungssystems aktiv, wenn ein/e ProbandIn nach der Lernphase einen mit Gesten gelernten Begriff übersetzte. Regionen des Sehsystems wiederum wurden bei Wörtern aktiviert, die in der Lernphase von Bildern begleitet worden waren.

Für die ForscherInnen ist ein weiteres Mal bestätigt worden, dass das Gehirn leichter fremde Worte lernt, wenn Informationen aus unterschiedlichen Sinnesorganen miteinander assoziiert werden. Möglicherweise verstärken sich diese Assoziationen gegenseitig und der Originalbegriff und seine Übersetzung prägen sich stärker ein. „Wenn wir beispielsweise einen zu lernenden Begriff mit einer Geste nachstellen, schaffen wir zusätzlichen Input, der dem Gehirn das Lernen erleichtert“, erklärt Katharina von Kriegstein, die die Studie leitete. Als nächstes wollen die WissenschaftlerInnen herausfinden, ob die Aktivität in den Bewegungs- und Sehzentren tatsächlich auch der Grund für den höheren Lernerfolg sind. Dazu wollen sie die Nervenzellen in diesen Regionen mithilfe von Elektroden aktivieren und den Effekt auf den Lernerfolg messen.

Die weitere gute Nachricht ist: Nicht nur das Vokabellernen funktioniert nach dem multisensorischen Prinzip - auch die Worterkennung in der eigenen Sprache klappt so besser. „Telefonieren wir beispielsweise mit einer bekannten Person, sind die für die Gesichtserkennung zuständigen Gehirnregionen während des Telefonats aktiv. Offenbar simuliert das Gehirn die fehlenden Informationen aus den Augen und schafft sie sich selbst“, erklärt von Kriegstein.

Offenbar lernen wir also nicht nur mit dem Gehirn, sondern mit allen Sinnen. Auch Schmecken, Riechen und Gefühle spielen dabei eine wichtige Rolle. Könnte man also sagen, je mehr Sinne beteiligt sind, desto besser lernen wir? „Wahrscheinlich ja, wie stark sich der Lernerfolg aber durch mehrere Sinne steigern lässt, wissen wir nicht. Die einzelnen Sinneseindrücke sollten aber idealerweise zusammenpassen. Wer also zum Beispiel das spanische Wort für Apfel lernen will, sollte eine Apfel-Geste machen, einen Apfel schmecken oder ein Apfelbild betrachten“, antwortet von Kriegstein. Dann dürfte dem sinnlichen Klassenzimmer also nichts mehr im Wege stehen ;-)

Wie lernst du am besten Vokabeln?

Autorin / Autor: Pressemitteilung / Redaktion - Stand: 10. Februar 2015