Keine Chance mit Hauptschulabschluss?
DGB-Studie: Zwei Drittel aller Ausbildungsplätze schließen Bewerbungen von HauptschülerInnen von vornherein aus
Wer einen Hauptschulabschluss hat, hat damit eigentlich die Fahrkarte für eine Ausbildung im Rahmen des dualen Ausbildungssystems, also eine Lehrstelle in der Tasche. Formal können sogar auch Schüler_innen ohne Schulabschluss eine duale Ausbildung beginnen. Und wer aufmerksam Nachrichten verfolgt, kennt die Meldungen über den sinkenden Fachkräftenachwuchs der deutschen Wirtschaft. Eigentlich müsste es dann ja glänzende Aussichten auf dem Ausbildungsmarkt für die Schulabsolvent_innen geben. Wie passt es aber dann zusammen, dass immer weniger Ausbildungsstellen für Schüler_innen mit Hauptschulabschluss zur Verfügung stehen? Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) wollte dieser Frage auf den Grund gehen und hat eine Analyse anhand der Zahlen der DIHK-Lehrstellenbörse vom 26. März 2015 vorgenommen. Denn wie sich in den vergangenen Jahren zeigte, haben insbesondere Jugendliche mit Hauptschulabschluss oder ohne Abschluss Probleme einen Ausbildungsplatz zu finden. Viele von ihnen mündeten nach einer Odyssee von erfolglosen Bewerbungen in den zahllosen Übergangsmaßnahmen von Schule in die Ausbildung ein – "ohne Aussicht auf eine vollqualifizierende Berufsausbildung", schreiben die Autor_innen der Studie „Kein Anschluss mit diesem Abschluss?“".
*Woran liegt es, dass Schüler_innen mit Hauptschulabschluss keine Lehrstelle finden?*
Der DGB findet mehrere Gründe für den sinkenden Anteil von Hauptschüler_innen: Zum einen haben immer mehr Jugendliche inzwischen einen mittleren Schulabschluss und immer weniger einen Hauptschulabschluss, sodass den Unternehmen in den letzten Jahren auch genügend Bewerber_innen mit höheren Abschlüssen zur Verfügung standen. Mittlerweile aber sinken die Bewerber_innenzahlen und die Betriebe haben massive Besetzungsprobleme. Trotzdem zeige ein Blick auf die IHK-Lehrstellenbörse, dass 61,6 Prozent der Ausbildungsplätze Jugendlichen mit Hauptschulabschluss von vornherein verschlossen bleiben. Bei Jugendlichen ohne Schulabschluss seien es gar 96,3 Prozent, so der DGB-Bericht.
Besonders auffällig sei, dass die Hotel- und Gastronomiebranche, die seit Jahren über unbesetzte Ausbildungsplätze klage, Jugendliche mit Hauptschulabschluss oft bei der Auswahl der Auszubildenden ausgrenze. "So bleiben 60,5 Prozent der Angebote bei den Hotelfachkräften sowie 40,7 Prozent bei den Restaurantfachkräften den jungen Menschen mit Hauptschulabschluss von vorneherein verschlossen. Auch im gewerblich-technischen
Bereich haben diese Jugendlichen schlechte Chancen. So sind 85,4 Prozent der Ausbildungsplatzangebote bei den Mechatronikern, 47,1 Prozent bei den Zerspanungsmechanikern und immerhin noch 22,7 Prozent bei den Anlagenmechanikern für Hauptschulabsolvent(inn)en nicht offen." fanden die Forscher heraus.
Will ein_e Hauptschulabsolvent_in einen Bank- oder Büroberuf erlernen, verringern sich die Chancen dann noch drastischer. Über 90 Prozent der Ausbildungsstellen in den Bereichen Büromanagement, Groß- und Außenhandel sowie bei den Industriekaufleuten lehnen Hauptschulabsolvent_innen von vornherein ab.
*"Betriebe müssen ihr Einstellungsverhalten ändern"*
Dabei sind Unternehmen, die Jugendliche mit Hauptschulabschluss einstellen grundsätzlich zufrieden, wie eine Studie des Bundesinstituts für
Berufsbildung ergab. "Es kann also nicht pauschal an einer vermeintlichen `mangelnden Ausbildungsreife´ liegen, wenn Betriebe junge Hauptschulabsolvent_innen nicht einmal in ihrem Auswahlverfahren zur Besetzung von Ausbildungsplätzen zulassen." schreiben die Studienautor_innen.
Ihr Fazit: Betriebe müssen ihr Einstellungsverhalten ändern. "Die sinkende Zahl der Ausbildungsverträge in Deutschland lässt sich nicht allein mit dem Akademisierungstrend begründen. Zu viele Betriebe setzen immer noch auf eine Bestenauslese", so Elke Hannack, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes. "Wer künftig seinen Fachkräftenachwuchs sichern will, muss verstärkt Jugendliche mit Hauptschulabschluss ausbilden."
Quelle:
Autorin / Autor: Redaktion/ DGB