Aufruf zum nächsten #aufschrei

Zwei Jahre nach  #aufschrei warnen Lüders und Wizorek vor Rückschritten bei der Gleichstellung

Bild: LizzyNet

Zwei Jahre ist es jetzt her, dass die feministische Autorin und Bloggerin Anne Wizorek unter dem Hashtag #aufschrei eine Kampagne mit Tausenden von Twitternachrichten auslöste, in denen Frauen über sexistische Bemerkungen und Übergriffe berichteten, denen sie im tagtäglichen Leben begegnen. Die Netz-Diskussionen über Alltags-Frauenfeindlichkeiten schafften es aufgrund ihrer ungeheuren Masse sogar in Print-Medien, Talkshows und in die internationalen Presse bis in die USA.

Verändert hat sich für Frauen dadurch leider nur wenig, bis auf die Tatsache, dass Tausende Frauen selbst erlebte Beispiele für diskriminierendes und frauenverachtendes Verhalten geliefert haben. Im Gegenteil: Eigentlich hat der öffentlich ausgedrückte Hass - besonders im Netz - auf Frauen und Gleichstellungsbemühungen noch zugenommen. Wizorek und die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, warnen daher vor Rückschritten bei der Gleichstellung der Geschlechter und schlagen eine Neuauflage der #aufschrei-Aktion vor. „Bestimmte politische Gruppierungen haben nicht nur die vermeintliche ‚Islamisierung‘ als ihr Thema entdeckt. Auch bei der Frage der Gleichbehandlung der Geschlechter offenbaren diese Menschen ein Ausmaß an Hass und sprachlicher Enthemmung, das man in der öffentlichen Debatte bislang für undenkbar hielt“, sagten Lüders und Wizorek in einer gemeinsamen Erklärung am 23. Januar 2015.

Die #aufschrei-Kampagne habe offen gelegt, "dass wir längst nicht so weit sind, wie wir glauben". Lüders warnte davor, in Jahrzehnten errungene Fortschritte ungeschehen zu machen, ohne dass sich die Öffentlichkeit ausreichend dagegen zur Wehr setze. „Wenn Menschen Morddrohungen erhalten, weil sie sich für eine Sprache einsetzen, die andere nicht ausgrenzt, dann braucht es einen neuen Aufschrei“, sagte sie. Das gelte auch für den Versuch, Geschlechterpolitik als „Gleichmacherei“, „Wahn“, „Zwang“ oder gar „Auflösung unserer Werte“ abzutun: „Es geht hier ganz im Gegenteil darum, allen endlich die gleichen Chancen zu ermöglichen und niemandem aufgrund dumpfer Vorurteile das Leben schwer zu machen“, unterstrich Lüders.

Wer sich öffentlich für die Frauenquote, oder andere emanzipatorische Ansätze ausspricht, erntet inzwischen von GegnerInnen immer häufiger hasserfüllte und hämische Kritik, die mit Begriffen wie "Diktatur des Feminismus", "Genderwahn" oder "Quoten-Zwangsbeglückung„ auf Beifall-Tour gehen. "Der tatsächliche ‚Genderwahn‘ besteht doch darin, Menschen aufgrund ihres Geschlechts zu diskriminieren, sie in ihrer Geschlechtsidentität und sexuellen Orientierung einzuschränken oder sogar noch zu bedrohen, sobald sie sich frei entfalten wollen. Damit wir endlich eine gerechte Gesellschaft werden können, müssen wir uns alle für Geschlechtergerechtigkeit einsetzen“, erklärt Wizorek dazu.

Am 3. März ruft die Antidiskriminierungsstelle des Bundes das Themenjahr 2015 „Gleiches Recht. Jedes Geschlecht.“ aus. Ein Schwerpunkt wird die sexuelle Belästigung im Arbeitsleben sein. Dazu präsentiert die Antidiskriminierungsstelle zum Auftakt des Themenjahres eine umfassende Umfrage zu sexueller Belästigung und der Frage, was Betroffene und Arbeitgeber über die Rechtslage wissen. „#aufschrei hat vor zwei Jahren eine enorm wichtige Debatte ins Rollen gebracht. Sie hat insbesondere Frauen die Chance gegeben, endlich über ihre Erfahrungen zu sprechen und zu sehen, dass sie nicht allein sind“, sagte Lüders. „Das reicht aber nicht aus. Damit das Thema weiterhin ernst genommen wird, wollen wir Fakten vorlegen. Und wir wollen das Jahr nutzen, aufzuklären und zu handeln. Dies scheint wieder mehr denn je nötig zu sein.“

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