Autsch, wie gemein!

Studie: So schnell wird Schmerz zur Emotion

Bild: LizzyNet

Wer hat sich nicht schon mal so richtig langgelegt, die Finger verbrannt oder eingeklemmt. Das tut weh – ist aber meistens nach ein paar Minuten wieder vergessen. Anders sieht es aus, wenn der Schmerz länger anhält. Dann tut Schmerz nicht mehr nur weh, sondern bringt auch noch unsere Gefühle durcheinander. Schon nach zehn Minuten wirkt sich Schmerz auf unsere Psyche aus, haben ForscherInnen der TU München jetzt herausgefunden. Und auch umgekehrt beeinflusst die Psyche das Schmerzempfinden.

In Experimenten untersuchten Professor Markus Ploner und sein Team die Schmerzwahrnehmung der Testpersonen: Wie beeinflusst die Dauer des Schmerzes oder die Wirkung von Placebo die Aktivitäten im Gehirn? Sie benutzten für ihre Messungen Elektroenzephalogramme – kurz EEGs. Hierbei trägt die Testperson eine Kappe mit 64 Elektroden, die während des gesamten Versuchs die Nervenzellaktivität des Gehirns messen können. Mit dieser Methode lässt sich zeitlich sehr genau darstellen, mit welchen Signalen Nervenzellen auf einen Schmerzreiz antworten.

*Schmerz trifft Emotion*
Die Wissenschaftler wählten folgenden Versuchsaufbau: 41 Studienteilnehmer erhielten über zehn Minuten schmerzhafte Hitzereize auf die Hand, die während des gesamten Zeitraums in ihrer Stärke variierten. Mit der anderen Hand sollten die Probanden mit Hilfe eines Schiebreglers kontinuierlich die momentan empfundene Schmerzstärke auf einer Skala von eins bis hundert bewerten.

„Das Ergebnis hat uns selbst sehr verblüfft: Schon über wenige Minuten veränderte sich die subjektive Schmerzwahrnehmung der Teilnehmer – sie spürten zum Beispiel Änderungen des Schmerzes, wenn der objektive Reiz unverändert blieb. Die Empfindung von Schmerz löste sich somit bereits über wenige Minuten vom objektiven Reiz“, beschreibt Markus Ploner die Ergebnisse.

Bisherige Studien zeigten, dass kurze Schmerzreize eher von sensorischen Hirnbereichen wahrgenommen werden. Diese verarbeiten die Signale aus den Sinnesorganen wie zum Beispiel der Haut. Bei den Experimenten mit langandauernden Schmerzen präsentierte sich den Wissenschaftlern im EEG aber ein anderes Bild: hier waren auch emotionale Hirnbereiche aktiv.

„Dauert ein Schmerz über einen längeren Zeitraum an, so wandelt er sich offensichtlich von einem reinen Wahrnehmungsprozess zu einem mehr emotionalen Prozess. Diese Erkenntnis ist hochinteressant für die Diagnose und Therapie von chronischen Schmerzen bei denen der Schmerz über Monate und Jahre andauert“, sagt Ploner.

*Placebo verändert Schmerzwahrnehmung*
Dass nicht nur die Dauer, sondern alleine die Erwartung an einen Schmerzreiz die Wahrnehmung beeinflusst, zeigte ein zweites Experiment. Zwanzig Testpersonen erhielten zuerst unterschiedlich starke schmerzhafte Laserpulse abwechselnd auf zwei Bereiche auf ihrem Handrücken. Die Wahrnehmung eines jeden Schmerzreizes wurde anschließend mündlich bewertet. Im weiteren Verlauf des Experiments erhielten sie die gleichen Reize noch einmal mit dem Unterschied, dass vorher beide Bereiche eingecremt wurden. Obwohl beide Cremes wirkstofffrei waren, bekamen die Probanden gesagt, dass eine der Cremes eine schmerzlindernde Wirkung habe.

Das Ergebnis: „Die Probanden bewerteten die Schmerzen auf dem Hautbereich mit der angeblich schmerzlindernden Creme signifikant schwächer als auf der anderen Hautstelle“, so Ploner. Die Wissenschaftler konnten diesen Placebo-Effekt auch im Gehirn sichtbar machen: obwohl die Testpersonen die gleichen Schmerzreize erhielten, feuerten die Nervenzellen beim zweiten Durchlauf ein anderes Muster von Signalen.

„Unsere Ergebnisse zeigen, wie unterschiedlich unser Gehirn sogar objektiv gleiche Schmerzreize verarbeitet. Dieses komplexe neurologische Phänomen ‚Schmerz‘ im Gehirn […] besser zu verstehen, ist eine große Herausforderung – für eine bessere Therapie von Schmerzpatienten aber dringend notwendig“, sagt Ploner.

Quelle:

Autorin / Autor: Redaktion / PM - Stand: 17. März 2015