Blinde Gewohnheit

Studie: Warum wir immer zu den gleichen Lösungen greifen

Bild: LizzyNet

Dass der Mensch ein Gewohnheitstier ist, haben die meisten von uns schon am eigenen Leib erfahren und die Forschung schon in unzähligen Studien nachgewiesen. Gewohnheit führt aber nicht nur zur Bequemlichkeit oder zu einem eingeschränkten Erfahrungshorizont, sondern unter anderem auch dazu, dass wir immer wieder zu den gleichen Problemlösungsstrategien greifen - selbst wenn die Alternativen sehr viel einfacher wären. Der amerikanische Psychologe Abraham Luchins hat schon im Jahr 1942 in Experimenten gezeigt, wie das funktioniert. In seinen Versuchen mit verschieden großen Wassergläsern sollten die ProbandInnen die Gläser mit dem Ziel umschütten, am Ende 100 Einheiten in einem Glas zu haben. Der Weg dazu umfasste drei Schritte. Als man ihnen danach einfachere Aufgaben gab, entschieden sie sich trotz simplerer Lösungswege für den komplizierteren dreischrittigen Weg.

*Das erstickte Matt*
„Unser Gehirn bevorzugt in der Regel eine bekannte, vertraute Lösung, statt auf Alternativen zu kommen“, erklärt Merim Bilalić vom Institut für Psychologie an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. Bilalić führte nun ähnliche Untersuchungen mit professionellen SchachspielerInnen durch, die er vor die Situation stellte, ein bekanntes fünfschrittiges Manöver, das sogenannte „erstickte Matt“, durchzuführen. Sie konnten das Spiel aber auch für sich entscheiden, indem sie eine weniger vertraute, aber nur dreischrittige Strategie wählen. Trotz der einfacheren Variante wählten auch in diesem Versuch die meisten SpielerInnen die bekannten Spielzüge. Bilalić und seine KollegInnen zeichneten während des Spiels die Augenbewegungen der SpielerInnen mit einer Infrarot-Kamera auf. „Wir konnten dabei feststellen, dass sie im wahrsten Sinne des Wortes blind für die alternativen, aber besseren Lösungen waren“, erklärt der Psychologe. Die Aufnahmen zeigten, dass sie ihren Blick nicht von den Feldern abwendeten, die sie für das „erstickte Matt“ identifiziert hatten, obwohl sie behaupteten, alternative Wege untersucht zu haben. Die neu untersuchten Wege waren offensichtlich nur Variationen der schon gefundenen langen fünfschrittigen Lösung, schließen die ForscherInnen daraus.

*Ausblendung gefährlich*
Diese Befangenheit sei, so Bilalić, in vielerlei Bereichen problematisch. Besonders schwierig sei der Einstellungs-Effekt, weil dieses Phänomen vielen nicht bewusst sei: „Wir glauben, dass wir offen auf Probleme zugehen. Es ist aber so, dass unser Gehirn die Aufmerksamkeit unbewusst immer dorthin lenkt, wo bereits Bekanntes abgespeichert ist. Jede Information, die nicht zu der Lösung oder Theorie passt, die wir bereits verinnerlicht haben, wird tendenziell ignoriert oder ausgeblendet.“ ÄrztInnen könnten so beispielsweise falsche Diagnosen erstellen und RichterInnen eher so entscheiden, wie sie es in vergangenen Fällen getan haben. Bilalić folgert daraus: „Wir müssen uns unserer Fehler bewusst sein, wenn wir unser Denken ernsthaft verbessern wollen.“

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Autorin / Autor: Redaktion /Pressemitteilung - Stand: 13. April 2015