Der Turnschuh im Song

Studie: Popmusik enthält immer mehr Produktplatzierung

Dass wir uns inzwischen nirgendwo aufhalten können, ohne von Werbung und Produktplazierung umgeben zu sein - daran haben wir uns schon lange gewöhnt, aber ist euch bewusst, dass auch in den Musikstücken, die wir täglich hören, immer öfter Markennamen auftauchen? Eine neue Studie der University of Colorado in Denver hat die Top 30 Songs von 1960 bis 2013 - insgesamt 1583 - untersucht und fand heraus, dass die Songtexten immer öfter Markennamen enthalten. Allein im Jahr 2006 hätten 20 von 30 Songs mindestens einen Verweis auf eine berühmte Person, einen Ort oder ein Produkt enthalten, so die Studie.

"Als Professor für Musikbusiness und Fan habe ich diese Entwicklung schon länger beobachtet. Jetzt kann ich als Forscher auch die Daten liefern, die es beweisen", sagte Studienautor Sturm Gloor, Professor an der CU Denvers College of Arts & Medien.

In den Liedern aus den fünf Jahrzehnten, die er untersuchte, fand Gloor insgesamt 1.544 Produktreferenzen. Mehr als die Hälfte davon tauchten in den Songs auf, die zwischen 2000 und 2010 erschienen waren. Die am häufigsten verwendeten Marken gehörten übrigens zu großen Autofirmen: Mercedes-Benz, Bentley, Corvette, Cadillac und Chevrolet.

Die Studie zeigte auch eine direkte Verbindung zwischen dem Einsatz von Produktnamen und der Bekanntheit von Marken. Als Beispiel führt Gloor an, dass nach dem Hit von Busta Rhymes "Pass the Courvoisier", der Vertrieb dieses Cognacs im Erscheinungsjahr 2002 um 10 bis 20 Prozent anstieg. Ein ähnliche Wirkung konnte das Forschertema bei dem Song "My Adidas" von RUN DMC auf den Verkauf der Turnschuhmarke feststellen.

Aber nicht nur die Nennung von Marken-, sondern auch die von Ortsnamen hat sich laut Studie drastisch erhöht. Neben einigen im berühmten Hit der Beach Boys "Surfin 'USA" erwähnten Küstenstädte, tauchten in den 1960er und 70er Jahren eher wenig Städte in Musikstücken auf. In den 80er und 90er Jahren stieg die Zahl dann. 2006 enthielten bereits 9 Prozent der Top Songs bestimmte Ortsnamen.

*"Dieser Song ist von mir"*
Ein weiterer Trend, den die Forscher in der Popmusik ausmachen, ist, dass die MusikerInnen immer häufiger ihren eigenen Namen in einem Song fallen lassen. Während es 1964 nur eine Namensreferenz gab, fanden die MusikwissenschaftlerInnen in den Stücken aus dem Jahr 2004 sagenhafte 130 Namensnennungen. Möglicherweise läge es daran, dass viele RadiomoderatorInnen die Songs oder KünstlerInnen nicht mehr nennen, also sehen sich die SängerInnen gezwungen, es selbst zu tun, erklärt Gloor.

"Im heutigen Musikbusiness müssen KünstlerInnen und ihre Akteure Alternativen finden zu traditionellen Vermarktungswegen. Die KünstlerInnen müssen sich mehr als früher als Marke aufbauen", so Gloor. So hätte beispielsweise CeeLo Green im Jahr 2011 einen Umsatz von über 20 Millionen Dollar gehabt, wovon nur der kleinste Teil aus dem Verkauf von Musikstücken, das meiste aus dem Verkauf von Marketing-Artikeln herrührte.

Die Studie deckte aber auch noch eine weitere Veränderung auf: Pop-Songs sind heute offenbar sehr viel länger als in den 1960er und 70er Jahren. Die durchschnittliche Zahl der Worte in einem Lied aus dem Jahr 1960 betrug 185, während ein Song 2010 bereits 489 Worte enthielt. Das ist ein Anstieg von 164 Prozent! Während Radiosender früher kürzere Songs bevorzugten, schätzen Unternehmen wie Pandora, ein kostenloser Internet-Musikanbieter, heute die längeren Stücke: Da sie Lizenzgebühren pro Song zahlen, senken sie die Kosten für ihr Programm durch längere und dadurch weniger Musikstücke.

"Viele Leute dachten, Musik sei die letzte marketingfreie Bastion, aber dieser Zug ist abgefahren. Viele Musiker verdienen heutzutage weniger Geld aus der Aufnahme eines Stücks, sondern müssen Marketing-ExpertInnen werden, da ihre Musik nicht zum Überleben reicht," schlussfolgert Gloor. "Kann sein, dass die Leute irgendwann keine Lust mehr darauf haben und sich dagegen wehren, aber im Moment ist das eben die neue Realität."

Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 11. März 2015