Ich bin Esther, 15 Jahre alt. Ich habe, fettiges braunes Haar. Die Nase ist zu lang, die Beine zu kurz. Außerdem bin ich schüchtern und unsportlich. Der typische Außenseiter eben. Ich bin aber auch Nina. Ein 17 jähriges Mädchen mit langen blonden Haaren. Meine Haare sind leicht gewellt und umrahmen mein engelsgleiches Gesicht. Ich kann toll singen und tanzen. Im Schwimmverein bin ich die Beste. Ich habe viele Freunde. Um genau zu sein 199… Ah, jetzt sind es 200. Ich bin der Traum aller Jungs und viele Mädchen sind neidisch auf mich.
Aber vielleicht sollte ich erstmal erklären, warum ich zwei Personen auf einmal bin. Esther und Nina. Glaub bloß nicht ich hätte gelogen. Meistens bin ich Esther, aber jeden Tag von 17-24 Uhr bin ich Nina. 17-24 Uhr, das ist die Zeit, während der ich online bin. Nina ist mein Online-Profil. Als Nina bin ich dann auf verschieden social network Portalen unterwegs. Dann fühle ich mich lebendig. Meine virtuellen Freunde geben mir Kraft und ich bin nicht mehr ganz so einsam. Von 17-24 Uhr. Wenn der Computer ausgeschaltet ist, bin ich nicht mehr die perfekte Nina. Dann bin ich unsichtbar. Denn nur das Internet macht mich sichtbar. Je schneller meine Finger über die Tasten fliegen und je mehr Likes oder Follower oder nette Kommentare ich online bekomme, desto lebendiger werde ich. Das Tastengeklapper zerstört die Leere der Einsamkeit. Das Leuchten des Bildschirms erhellt mein Leben. Die Smileys machen mich glücklich und die Zahl meiner Internetfreunde gibt mir das Gefühl akzeptiert zu sein. Denn was gibt das echte Leben mir? Der kleinen blöden Esther. Nichts als Ärger. Das Geschrei meiner Eltern, weil ich Hausaufgaben machen soll. Das grelle Licht der Sonne, das mir Augenschmerzen macht. Und Tränen, hervorgerufen durch die Beleidigungen meiner Klassenkameraden.
Manchmal frage ich mich, wie es wäre, mein Internetleben, das der schönen Nina, auch in Realität zu leben. Ich wünsche es mir sogar. Aber es wird nicht passieren. Ein perfektes Leben kann mir nur das Internet geben. Denn erst dort blühe ich auf und materialisiere mich Pixel für Pixel…

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