Kampf oder Fürsorge?

Studie: Männer und Frauen reagieren unterschiedlich auf Stress

Bild: LizzyNet

Es ist halb acht morgens, du hast den Wecker nicht gehört! Dein kleiner Bruder sitzt quengelnd am Frühstückstisch, deine Eltern laufen hektisch hin und her - und du musst zum Schulbus. Der Satz "Zieh doch deinen Bruder noch schnell an und nimm ihn zur Kita mit" bringt das Fass zum Überlaufen. Kriegst du einen Wutanfall oder übermannt dich das Mitgefühl für den Kleinen und entscheidest du dich, die erste Schulstunde sausen zu lassen? Wie du auf eine solche Stresssituation reagierst, hängt nach einer neuen Studie davon ab, ob du weiblich oder männlich bist.

*Überraschende Studienergebnisse*
Eigentlich hatten die PsychologInnen der Universitäten Wien, Freiburg und Triest nur herausfinden wollen, welche Auswirkungen Stress allgemein auf die Fähigkeit hat, sich in andere hineinzuversetzen - doch dann erlebten sie eine Überraschung. Bei ihren Tests mit 40 Frauen und 40 Männern stellte sich heraus, dass die Geschlechter sehr unterschiedlich auf Stress reagierten: Frauen wurden fürsorglicher, Männer aggressiver.

In einem Verhaltensexperiment sollten die Versuchspersonen eine stark stressende Situation durchleben: Sie mussten eine öffentliche Präsentation halten sowie anspruchsvolle Rechenaufgaben unter Zeitdruck lösen. Um zu überprüfen, ob diese Situation tatsächlich als stressig empfunden wurde, wurde die Pulsfrequenz sowie der Pegel des Stresshormons Cortisol gemessen.

Im Anschluss mussten die Versuchspersonen verschiedene Aufgaben bearbeiten, um zu testen wie sehr sie sich unter Druck noch in andere hineinfühlen und andere Perspektiven verstehen konnten. Dabei zeigten sich zur Überraschung der ForscherInnengruppe in allen Aufgaben entgegengesetzte Effekte von Stress auf die sozialen Fähigkeiten von Männern und Frauen. Frauen konnten unter Stress besser unterscheiden zwischen selbst- und fremdbezogenen Emotionen und waren dadurch in der Lage, empathischer auf andere Personen zu reagieren. Männer hingegen zeigten ein Verhaltensmuster, das eher mit einer klassischen Kampf- oder Fluchtreaktion erklärt werden konnte. Dies führte dazu, dass sie sich unter Stress egozentrischer und weniger einfühlsam verhielten.

*Mögliche hormonelle Ursachen*
"Es stellt sich nun die Frage, durch welche Faktoren die entgegengesetzten Effekte von Stress bei Männern und Frauen bedingt sind", erklärt Claus Lamm, unter dessen Leitung die Studie am Institut für Psychologische Grundlagenforschung der Universität Wien durchgeführt wurde: "Neben möglichen erziehungsbedingten und kulturellen Einflüssen müssen auch biologische Erklärungen berücksichtigt werden. Auf der physiologischen Ebene stellt dabei insbesondere das Oxytocinsystem eine mögliche Einflussvariable dar. Frauen zeigen unter Stress eine höhere Oxytocinausschüttung als Männer, und es ist bekannt, dass Oxytocin auch einen starken Einfluss auf soziale Interaktionen aufweist."

Um diese Annahme zu überprüfen, arbeitet das Team nun an einer weiteren Studie, die untersuchen soll, ob tatsächlich Unterschiede in der hormonellen Stressreaktion die unterschiedlichen Auswirkungen von Stress auf Frauen und Männer erklären können.

Wie reagierst du auf Stress?

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Autorin / Autor: Redaktion / Pressemitteilung