"Narrenfreiheit" blieb meist folgenlos

Historikerin Barbara Stollberg-Rilinger analysierte Fastnachtsrituale

Bild: LizzyNet

Wenn man KarnevalistInnen nach dem geschichtlichen Hintergrund ihres geliebten Festes fragt, kommt oft der stolze Verweis auf die auf die politische Sprengkraft der "jecken" Umzüge und Rathausstürmungen. Doch Karnevalsrituale waren in der Geschichte laut der Historikerin Prof. Dr. Barbara Stollberg-Rilinger weniger subversiv als oft angenommen. Zwar hätten Umzüge, Maskeraden, Spottlieder und Parodien die herrschende Ordnung über Jahrhunderte in Frage gestellt, aber diese „kontrollierte Normüberschreitung“ sei im Mittelalter und in der Frühneuzeit durch die Obrigkeiten eng begrenzt worden und, wie heute noch, im Alltag meist folgenlos geblieben. „Die karnevaleske Umkehrung des Alltags und der politische Umsturz waren zweierlei“, so die Autorin. Die Forscherin, die im November für ihre Ritual- und Symbolforschungen mit dem deutschen Historikerpreis ausgezeichnet wurde, hat jüngst die erste Überblicksdarstellung zur historischen Ritualforschung im Campus Verlag vorlegt und darin auch Fastnachtsrituale analysiert.

„Auch wenn sich im vormodernen Karneval die Welt verkehrte, wenn der Spott die Ehrfurcht ersetzte, Überfluss statt Mangel herrschte, Männer sich als Frauen verkleideten, Frauen als Männer und das Heilige der Kirchen profaniert und parodiert wurde, so ist nicht jedem populären Festbrauch ein aufrührerischer und politisch gefährlicher Subtext zu unterstellen“, schreibt die Wissenschaftlerin. Um das subversive Potenzial der „Verkehrten Welt“ der Fastnacht zu bestimmen, dürfe man nicht generalisieren. Vielmehr seien die politischen und sozialen Umstände jedes Einzelfalls anhand der Quellen genau zu rekonstruieren. „Wenn es bei manchen karnevalesken Anlässen zu Gewaltexzessen kam, lässt sich das nach genauer Untersuchung oft nicht ohne eine Konfliktgeschichte erklären, die lange vorher begann und mit dem Karneval nichts zu tun hatte.“

*Christlicher Karneval seit dem 13. Jahrhundert*
Der christliche Karneval ist quellenmäßig ab dem 13. Jahrhundert belegt. „Er bestand nicht nur in allgemeinen Festlichkeiten, Gelagen und Vergnügungen, sondern auch in sorgfältig organisierten Umzügen, Maskeraden, Wettkämpfen, szenischen Spielen und Schautänzen, die die städtischen Zünfte und Bruderschaften veranstalteten. Wenn dies geschah, herrschte ‚Narrenfreiheit‘“, schreibt Barbara Stollberg-Rilinger. Die Obrigkeiten tolerierten Ausschweifungen vor allem der männlichen Jugend, ebenso die in den Ritualen mitschwingende Kritik an den politischen und sozialen Verhältnissen.

*Karnevalsverbote seit der Reformation*
Allerdings seien die kirchlichen und weltlichen Obrigkeiten mit den Karnevalsbräuchen im Verlauf der Jahrhunderte immer strenger umgegangen. Während für die Kirche im Spätmittelalter karnevaleske Späße keineswegs tabu gewesen seien, wurde es Klerikern im 16. Jahrhundert unter dem Einfluss von Reformation und Konfessionalisierung verboten, sich an Karnevalsbräuchen zu beteiligen. „In protestantischen Ländern wurde dem Karneval grundsätzlich der Kampf angesagt", schreibt die Forscherin. Dass die Obrigkeiten dagegen vorgingen, sei Teil ihres „Feldzugs gegen Ausschweifung und Müßiggang“ gewesen.

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Autorin / Autor: Redaktion / - Stand: 24. Februar 2014