Ohne Form und Farbe

Einsendung zum Schreibwettbewerb "KörperGEFÜHLE" von Lara, 12 Jahre

Stell dir dich selbst vor. Woran denkst du? An Dein Gesicht? Deine Größe? Deine Haarfarbe? Denkst du an die Länge deiner Arme oder die Dicke deiner Finger? Aber was ist, wenn du all das nicht hast… Niemand erinnert sich an dich, denn niemand hat dich je gesehen. Auch du selbst kennst dich nicht. Wie würdest du dich ohne Körper vorstellen? Als waberndes Etwas aus Gedanken und Gefühlen? Ist man überhaupt ein Mensch, ganz ohne Körper? Oder ist man nur eine fiktive Erscheinung? Wenn du ein Bewusstsein hättest, das genauso funktioniert wie deines jetzt, aber du ganz alleine wärst, weil niemand dich sieht oder auch nur weiß, dass es dich gibt. Dann stellt sich dir eine neue Frage: Wo kommst du überhaupt her? Wurdest du von jemandem geboren? Bist du entstanden aus Eizelle und Samen so wie alle anderen auch; ist einfach bei diesem Vorgang etwas schief gelaufen und hat dich zu dem gemacht was du bist? Oder hast du einen anderen Schöfpungsursprung?

Aber um dies zu beantworten müsstest du wissen, wie alt du bist. Kann man dein Alter überhaupt zählen, so wie bei den normalen Menschen? Oder bist du unsterblich, denn du hast keinen Körper, der altern oder krank werden kann. Niemand würde auf die Idee kommen dich zu töten, weil dich ja niemand sieht. Wie solltest du Selbstmord begehen ohne Hände, die Pulsadern durchschneiden oder Beine, die von Dächern springen können? Sollte man dies als Segen oder als Fluch ansehen… Ewigkeit ist eine lange Zeit, vor allem alleine. Wenn man also dein Alter nicht bestimmen kann, bleibt trotzdem noch die Frage deiner Herkunft: Bist du ein Geschöpf, das aus den großen Forschungen der anderen Menschen hervorgekommen ist oder kommst du aus der Zukunft? Oder aus der Vergangenheit? Bist du womöglich eine Schöpfung Gottes? Ein schlaues Bewusstsein, so wie der Mensch, das aber nicht in den Fängen der Zeit ist und an eine feste Masse gebunden ist. Ohne Masse zu sein, bedeutet das vollkommene Bewegungsunfähigkeit oder das Gegenteil: Könntest du überall gleichzeitig sein und alles mitbekommen? Wer bräuchte schon Geheimdienste oder Überwachungskameras, wenn er dich auf seiner Seite hätte! Doch die anderen sind für dich unerreichbar. Wenn du doch bloß mit ihnen kommunizieren könntest! Aber wie verständigst du dich überhaupt? Denkst du? Hast deine eigene Sprache oder Laute? Oder sind das Frequenzen oder Echos, so ähnlich wie die Geräusche der Delfine? Hast du überhaupt die gleichen Sinneswahrnehmungen, wie die anderen Menschen? Siehst und hörst du so wie sie? Kannst du überhaupt fühlen, könntest du Gefühle für jemanden entwickeln? Falls du es könntest, müsste man dann nicht das Wort Liebe neu definieren, denn unter Liebe verstehen die Menschen körperliche Zuneigung und nette Worte, aber kann es Liebe auch ohne diese Dinge geben? Kann man jemand schön finden, der materiell gar nicht existiert? So wenig, dass du dir dich selbst noch nicht einmal vorstellen kannst, du bist ein einziger Haufen an Fragen und Gedanken. Aber du bist DU! Und es gibt jemanden, der dich liebt, so wie du bist! Und das fühlst du alleine aus deinem Bauchgefühl heraus. Und plötzlich weißt du wer du bist. Du hast ein ganz genaues Bild von dir, das keine Farben oder Formen braucht.

Autorin / Autor: Lara, 12 Jahre