Die Angst des anderen nicht sehen können

Psychologinnen suchten in Gehirnströmen nach Ursachen antisozialen Verhaltens

Rücksichts- und Verantwortungslosigkeit, Ignoranz von sozialen Normen sowie ein fehlendes Unrechtsbewusstsein sind typische sogenannte "antisoziale Persönlichkeitseigenschaften". Die gibt es nicht nur bei StraftäterInnen, sondern auch ganz "normalen" BürgerInnen. "Jede oder jeder einzelne von uns weist diese Persönlichkeitsmerkmale zu einem gewissen Grad auf", so Daniela Pfabigan, Psychologin an der Universität Wien. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen Uta Sailer, Universität Wien, und Johanna Alexopoulos, MedUni Wien, wollte sie wissen, wodurch diese Verhaltensweisen hervorgerufen bzw. aufrechterhalten werden. Dazu analysierten sie grundlegende visuelle Verarbeitungsprozesse, zum Beispiel die Fähigkeit, aus bestimmten Gesichtsausdrücken Emotionen ableiten zu können.

Was die Psychologinnen bereits wussten: Antisoziale Personen erkennen einen ängstlichen Gesichtsausdruck schwerer als andere. Doch warum? Im Rahmen einer Studie wollten sie herausfinden, ob dieses Defizit eher daher kommt, dass sie "visuell" nicht in der Lage sind, aus bestimmten Gesichtsausdrücken Emotionen ableiten zu können – oder ob es eher ein Aufmerksamkeitsthema ist. "Letzteres bedeutet, dass der Gesichtsausdruck des Gegenübers intensiver verarbeitet wird", erklärt Daniela Pfabigan.

*Verarbeitung sozialer Reize und Selbsteinschätzung*
Für die Studie nahmen 28 Probandinnen in den Forschungslabors der Fakultät für Psychologie an einem computerbasierten Gewinnspiel teil: Richtige Antworten wurden mit dem Bild eines fröhlichen Gesichts belohnt und falsche Antworten mit einem ärgerlichen Gesicht rückgemeldet. Dabei wurden die Gehirnströme der Probandinnen gemessen. Vorher gaben die Teilnehmerinnen aber noch an, wie antisozial sie sich selbst einschätzen. "Aufgrund dieser subjektiven Einschätzungen haben wir die Versuchsteilnehmerinnen in zwei Gruppen geteilt: jene mit geringer und jene mit hoher Ausprägung antisozialer Verhaltensweisen", erklärt die Psychologin ihre Vorgehensweise.

*Keine Aufmerksamkeit für die Gefühle anderer*
Aus den Ergebnissen der Messungen ziehen die Wissenschaftlerinnen den Schluss, dass die visuelle Verarbeitung von sozialen Reizen bei Personen mit antisozialen Verhaltensweisen prinzipiell intakt ist. "Allerdings zeigt sich auf einer sehr frühen – den Personen vermutlich nicht bewussten – Verarbeitungsebene, dass sozialen Reizen weniger Aufmerksamkeit geschenkt wird, je antisozialer sich die Versuchsteilnehmerinnen selber einschätzen", ergänzt die Psychologin. Sie führt solche Verhaltensweisen auch darauf zurück, dass Menschen nicht in der Lage sind, Emotionen anderer Personen Aufmerksamkeit und Zuwendung zu schenken.

"In weiteren Studien wollen wir klären, ob diese verringerte Aufmerksamkeitszuwendung auf soziale Reize beschränkt ist oder ob sie ein allgemeines Defizit bei antisozialen Persönlichkeiten darstellt. Die Ergebnisse könnten für die klinische Behandlung antisozialer Verhaltensweisen relevant sein", so Daniela Pfabigan abschließend.

Autorin / Autor: Pressemitteilung/ Redaktion