Stell dir vor,
du machst die Augen auf und 
siehst das alles zum ersten Mal
Du hast keinen Plan 
wo du bist, kennst das hier 
nicht und willst nicht dran glauben, dich mit dem 
nächsten, faszinierten nach-Luft-schnauben, 
immer mehr daran zu gewöhnen, 
wie verdammt schön 
die Aussicht ist, weil du jetzt schon das Gefühl 
vom allerersten, unberührten Anblick vermisst 
Stell dir vor, du hast
noch nie zuvor 
von „Luft“ gehört und „Wasser“ 
ist bloß ein Konzept, ja eine 
Theorie für dich, ausschließlich 
in verbaler, halt einfach nicht realer Form, Stell dir vor, 
du weißt nicht, was für ein 
Spektakel an Farben entsteht, 
wenn die Erde sich von der Sonne weg-
dreht, selbst Wärme kennst du nicht 
und Kälte 
ist für dich bloß ein leeres Wort, 
in einem weiteren Gedicht, 
dessen Inhalt du nach dem nächsten 
eh wieder vergisst
Bis sich dein Nacken vom 
in den Himmel starren versteift, 
während weiße, 
über den Himmel rollende, Wind folgende 
Schlieren, die Grenze zwischen Erde und 
Kosmos über dir verzieren und 
du dann langsam begreifst, beim Blick in die 
weite Endlichkeit, was all das 
eigentlich heißt 
Im Prinzip, durch 
Luft und Wasser, Kohlen- und Stickstoffe,
genau jetzt am leben zu sein,
nach nur einem Wimpernschlag Evolution in 
Anbetracht der Geburtsstunde von Zeit 
Das hat gereicht
Um der Anomalie des Wassers auf den Grund 
und auf der Oberfläche des Mondes zu gehen, 
durch uns selbst hin durchzusehen, das 
Fliegen zu verstehen und sich Fehler einzugestehen, Gier zum 
Anagramm von Wohlergehen zu verdrehen, 
und Ausbeutung für Profit mit 
Greenwashing-Stickern zu versehen  
Für mehr
Luxus
Mehr Fashion, mehr Fastfood und mehr Verneinung
Mehr Wiesen mit Betonverkleidung 
und weniger Über-
blick über die Ethik, damit auch jeder unsere Absicht mitkriegt: 
Mehr Geld, 
mehr Zeit, mehr von 
leicht und egal, wenn laut Statistik eine Erde dafür nicht reicht
Weil, du stellst dir vielleicht vor, dass du 
die Augen aufmachst und nicht weißt, wo du bist, 
das hier zum ersten Mal siehst
Aber die Wahrheit ist doch, du 
kennst das alles schon 
Luft ist dein tägliches Brot 
und dir ist bekannt, wie 
Wasser sich anfühlt, wenn man mit der Hand 
Linien darin zieht, Wolken 
verzieren deinen Himmel nicht mehr und die Farben, die 
entstehen, wenn die Erde sich von der Sonne weg-
dreht, kannst du in deiner horizontlosen Stadt 
nicht sehen 
Du baust dir 
deine eigene Aussicht 
Abgebrannte Mono-Felder sind dein Unter-
grund und Kreuzfahrtschiffe und Flugzeuge, 
egal was, alles, das prunkt, deine Papp-Untersetzer, 
Erdöl nimmst du statt 
Kleber, überziehst das ganze mit Schweinswal- Leder 
und so bastelst du, wie ein 
Kind im Restaurant, 
dein Kartenhaus-Labyrinth 
Wahnsinn macht dich blind und 
du baust einsam und immer höher,
du baust schneller, 
deine eigene Welt, 
wie ein junger Gott, siehst du mich? Dann fürchte dich!
bis kein Tageslicht mehr durch die 
Lücken deiner Mauer fällt und 
du dich orientierungslos in der Mitte deiner Festung an 
der Größe deines Wahnsinns hälst
Als der Privatjet über dir, bei 
zu viel Hitze Feuer fängt und lichterloh brennt 
Als es so stark regnet, dass du den Boden unter den 
Füßen verlierst, und dann eins und eins zusammen addierst: 
Mayday-mayday, wir 
haben ein Problem und 
du kannst den Ausweg nicht sehen, 
Tränen verschleiern deine Sicht,
du hast Hunger und du hast Durst 
und du trauerst um die Chancen, die auf deinem 
Schreibtisch lagen, bis sie eines Tages unter 
Geldscheinen begraben waren
und du bereust, dass dir die 
Gewöhnung an 
das Schöne so selbstverständlich und 
deine Heimat für dich wie un-
endlich und langweiliger Alltag war
Weil, das muss ja nicht so sein 
Du bringst die 
Erde zum beben, 
nur diesmal, damit deine Kartenhäuser sich 
auseinander bewegen, du 
willst dir zum zweiten Mal vorstellen, zum ersten Mal, die 
Sonne untergehen zu sehen und 
begreifen, was es eigentlich heißt in 
Anbetracht der Geburtsstunde von Zeit 
nach nur einem Wimpernschlag 
hier zu sein 
und du hoffst und willst alles dafür tun, 
dass es noch lange so bleibt, 
mit möglichst wenig Leid, weil 
es wäre doch schön, wenn 
Das Gute weiter gedeiht und 
wir uns prophezeien 
könnten, noch lange hier sicher zu sein, auf 
einem Planeten, 
der uns reicht, und der 
nächstes Jahr erneut für uns die Sonne umkreist 
Stell dir vor, 
du machst morgen die Augen auf
und du tust so, als sähest du das alles zum ersten Mal
Autorin / Autor: L.K.