Interview mit Charlotte Roche

Isabelle Graw interviewt "Ausnahmefrau" Charlotte Roche.

Ausnahmefrauen

Die Juni-Ausgabe der Zeitschrift Texte zur Kunst hat den Titel: "Ausnahmefrauen / Sie kam und blieb" und ist eine Sonderausgabe zum Thema "Feminismus". Die Herausgeberin von Texte zur Kunst, *Isabelle Graw*, hat in dieser Ausgabe ein Interview mit *Charlotte Roche* von VIVA zwei geführt. Mit freundlicher Genehmigung von Texte zur Kunst dürfen wir dieses Interview auch auf LizzyNet veröffentlichen. :-)

Ein Interview mit Charlotte Roche von Isabelle Graw

Der Ton macht die Musik

*Isabelle Graw*: Du gehörst zu den wenigen jungen Frauen in der deutschen Medienwelt, die sich empathisch als Feministin bezeichnen. Was verstehst du unter “Feministin”?

*Charlotte Roche*: Also grundsätzlich ist das erst einmal eine Sache, die ich von meiner Mutter mitbekommen habe. Unter Feminismus verstehe ich vor allem, dass man die Augen offen hält und nichts durchgehen lässt. Man reagiert auf kleine Patzer, die sich überall einschleichen, und verletztende Bemerkungen, die andere gar nicht wahrnehmen oder schon im Kern ersticken. Feminismus ist für mich nicht nur etwas, das in Büchern und im Fernsehen stattfindet, sondern etwas, das ich lebe und wodurch ich dementsprechend Probleme mit Freunden kriege.

*Graw*: Meinst du mit “Patzern” jene Formen der Diskriminierung, die nicht massiv und explizit herabsetzen, sondern eher subtil – festschreibend - funktionieren?

*Roche*: Ja, so verbale Ausrutscher. Genauso, wie Rassismus sich ändert, ändert sich auch Frauenfeindlichkeit. Je mehr ich darüber nachdenke, desto klarer wird mir, dass Frauenfeinde oder -hasser immer subtiler agieren.

*Graw*: Wie würdest du diesen subtilen Sexismus beschreiben? Wirst du damit auch persönlich bei Viva konfrontiert?

*Roche*: Ich nenne dir ein Beispiel: Neulich, im Studio hatten wir einen Streit um eine Produktionsfirma, die mit uns aufzeichnet, keine Viva-Kameraleute, sondern wechselnde Teams, die nicht so genau wissen, wer in der Sendung was macht. Es handelte sich um Techniker, die sich genau wie die Beleuchter beim Theater nicht für das Gesamtkunstwerk interessieren – denen geht das völlig am Arsch vorbei. Zusammen mit einer Regisseurin zeichnete ich im Studio die Sendung auf, und sie verständigte sich über Kopfhörer mit der Regie im anderen Raum. Sie haben sich zwar nicht wirklich gestritten, aber heftig darüber diskutiert, wie jetzt das nächste Bild aussehen soll. Diese Diskussionen dauerten länger und so wartete ich ganz geduldig. Ich war froh, dass sie sich wenigestens darum kümmerten, dass die Sendung gut wird. Und dann sagte der Aufnahmeleiter auf einmal: Ja, das ist wohl Frauenpower. Gemeint war natürlich, die kommen nicht zu Potte, weil sie Frauen sind. Ich habe daraufhin sofort abgebrochen und gesagt, dass ich, auch wenn dies ein Witz war – und es war keiner – so nicht weiterarbeiten wolle. Denn auf eine ironische Art und Weise hatte er impliziert, dass Frauen schlechter arbeiten. Er antwortete, ob ich ihm Frauenfeindlichkeit vorwerfen würde und ich sagte, dass er sich diese gerade selbst auf die Stirn geschrieben hätte.

*Graw*: “Frauenpower” ist ja ein mehrfach kodierter Begriff. Er läßt zwar die Möglichkeit zu, dass Frauen Macht haben, suggeriert aber auch, dass diese Macht eine prinzipiell “andere” sei. Der Kontext, in dem dieses Wort verwendet wird, wie auch der angeschlagene Ton sind natürlich auch entscheidend. Sich über einen solchen Begriff zu beschweren, bringt einem wahrscheinlich den Vorwurf ein, überempfindlich und hysterisch zu sein.

*Roche*: Für mich war die Doppelbödigkeit dieser Aussage wie auch ihre Ironie das Problem. Und wenn man derartige Aussprüche als schlimm wahrnimmt, über die andere womöglich noch nie nachgedacht haben, dann gilt man natürlich als schwierig oder hysterisch oder aufbrausend.

Mehr Informationen

Hier geht's weiter

Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 18. Juli  2001