Schwarze Löcher verschlucken alles - nur die Hoffnung nicht

Wettbewerbsbeitrag von Cosmos04, 18 Jahre

„Teste mal, ob du nun bequem sitzt! Du wirst eine ganze Weile dort verbringen müssen. Ach, und probier mal, ob du gut an alle Steuerknöpfe drankommst.“, ordnete Pias Opa ihr an. Zwölf Jahre hatten sie nun darauf hingearbeitet. Morgen soll es soweit sein. Dann wird Pia achtzehn und die Reise ins Weltall soll beginnen. „Ich kann gar nicht glauben, dass es endlich losgeht!“ „Noch sind wir nicht gestartet, Pia, es gibt viel Unvorhergesehenes, was uns noch dazwischenkommen kann.“ „Du klingst in den letzten Tagen so pessimistisch Opa. Du glaubst doch auch, dass wir dort draußen andere Menschen antreffen werden? Du hast es mir immer versprochen.“ Ihr Opa seufzte: „Weißt du,
damals, im Jahr 2023, als ich zehn Jahre alt war, hatte ich auch noch Hoffnung. Die Klimaforscher waren sich des Unheils einig, was auf uns eintreffen wird, wenn nichts geschieht. Aber ich hatte immer die Hoffnung: Es wird alles gut werden, man muss nur daran glauben. Die Menschheit wird handeln. Doch sie tat nichts. Es musste erst zur Katastrophe kommen. So endeten wir hier vor zwölf Jahren als letzte Menschen auf der Erde.“ Pia nickte: „Diese Geschichte hast du schon so oft erzählt, ich habe aufgehört mitzuzählen.“

„Ich gehe jetzt schlafen. Du solltest das auch tun.“
Pias Opa hatte kaum zu Ende gesprochen, als er schon die Schlafzimmertür hinter sich zuzog. Pia konnte jetzt unmöglich schlafen. Sie war viel zu aufgeregt. Stattdessen öffnete sie die Luke zur Raumkapsel und sah sich um. Hier werden sie also demnächst sehr viel Zeit verbringen. Ihr Blick fiel auf den Tankraum. Dort war sie noch nie drin. Ihr Opa hatte immer gesagt, sie dürfe ihn erst bei Abflug betreten. Sie öffnete durch ihre Neugierde getrieben vorsichtig die Tür. Entsetzt trat sie einen Schritt zurück:
„Opa!!! Du hast mich die ganze Zeit über angelogen! Du…du…nein!! Wir sitzen hier fest, für immer!
Ich hasse dich!!“ Pia drehte sich um und haute mit voller Wucht auf einen der vielen Knöpfe am Steuerpult. Ihr Opa hatte ihr sooft schon erklärt, welcher Knopf wozu dient. Sie sollte die Verantwortung für die Steuerung tragen. Ihr Opa erwartete eine lange Reise und wusste nicht, ob er die Steuerung mit seinen 88 Jahren bis zum Ende übernehmen kann. Das hatte er ihr jedoch so nie gesagt.

Vor der Frontscheibe sah Pia nun ihren Opa. Pia schaute aus der Luke und brüllte: „Geh weg, ich will dich nie wieder sehen! Ich hasse dich, du bist ein Verräter, ein Feigling!“
„Du warst immer so begeistert von den Sternen. Ich wollte dir Hoffnung auf ein besseres Leben schenken, Hoffnung darauf, nicht alleine hier zu sein. Es tut mir leid, es tut mir so unendlich leid… Ich wollte dich nicht leiden lassen, du warst ein so aufgewecktes Kind. Dieses Projekt hat dich abgelenkt, beschäftigt und dir vor allem Hoffnung gegeben.“ Während er sprach, hatte Pia die Luke zugeknallt und sich im Vorratsraum der Rakete eingeschlossen. Wann hätte er ihr erklärt, dass er überhaupt keinen Treibstoff für die Rakete besitzt? Wann hätte er ihr erklärt, dass sie bis ans Ende ihrer Tage alleine auf der Erde sein wird?

Plötzlich knarzte etwas. Die Rakete wackelte. Pia hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten. „Opa, was machst du da? Hör auf!“, sagte sie erbost, während sie die Tür zum Steuerraum wieder aufschloss. Der rote Knopf zum Starten der Rakete blinkte. Sie hatte doch tatsächlich vor Wut den Startknopf betätigt. Voller Panik, die mit jedem Ruck der Rakete heftiger wurde, versuchte Pia, die
Luke zu öffnen. Doch die Luke war versiegelt. „Verdammt!“, entwich ihr es. Schnell griff sie nach ihrem Taschenmesser und rammte es in die Frontscheibe. Es tat sich jedoch nichts. „Mist! Mehrschichtiges Quarzglas, nicht kaputtzukriegen.“

Auf einmal fühlte Pia sich ganz schwer. Gerade so schaffte sie es noch in den Steuersitz und schnallte sich an. Dann wurde ihr schwarz vor Augen. Ein paar Minuten später, es hätten auch Wochen oder Jahre sein können, öffnete sie ihre Augen wieder und blickte benommen aus dem Fenster. Sie war im Weltall. Ganz allein. Warum fliegt die Rakete ohne Treibstoff? Warum hat ihr Opa sie gleich zweimal belogen? Der Tank war leer, aber offensichtlich gab es noch einen geheimen Tank. Ihr Opa hatte ihr alles beigebracht, was sie wissen musste. Aber sie hatte kein Ziel. Gab es überhaupt Menschen da draußen? Oder war das auch eine Lüge? Pias Blick fiel auf ein Foto von ihr mit ihrem Opa. Tränen flossen ihr über die Wange. „Warum war ich nur so dumm? So naiv, zu glauben, wir könnten andere Menschen finden. Jetzt habe ich den letzten Menschen außer mir zurückgelassen…“ Ihre Stimme ging in ein leises Schluchzen über.

Tage vergingen. Pia zählte Stunden, Minuten manchmal auch die Sekunden, und doch war ihr das Gefühl für die Zeit komplett entwichen. Genauso wusste sie nicht, wo oben und unten war - gab es das im Weltall überhaupt? Als Astrophysiker besaß ihr Opa allerhand Bücher über den Kosmos. Von klein auf hatte sie diese begeistert gelesen und die Bilder, deren unfassbare Schönheit sie immer noch faszinierten, tagtäglich betrachtet. Sie griff unter das Steuerpult in ein schmales Fach. Dort lag ein Buch mit dunkelblauem Einband. Ihr Opa hatte dieses Buch in seinen besten Zeiten geschrieben.
So verständlich, dass sie es auch schon als Kind hatte verstehen können. Verstehen?

Nein, die Theorien von Zeitdilatation und Quantenmechanik kann man nicht verstehen. Man kann nur erahnen, worum es in etwa geht. Gerade hatte sie sich ein Bild eines schwarzen Loches angeschaut, als das Raumschiff plötzlich beschleunigte. Sie schreckte hoch und sah vor sich nur schwarz. Es war aber nicht das Schwarz des Weltalls, es war viel schwärzer. Das Raumschiff wurde immer schneller und fing an, sich zu drehen. Pia wurde schwindelig, aber sie versuchte krampfhaft, bei Bewusstsein
zu bleiben. Dann ertönte ein lauter Knall. Ein Knall? Im Weltall? Sie öffnete die Augen und sah sich um. Vor ihr war ihre Familie, ihre Eltern, ihre Schwester, ihr Bruder. Ihr Opa hatte die ganze Zeit genau gewusst, dass sie sie finden werden. Oder? Nein, gewusst haben kann er es nicht. Aber er hat es für Pia gehofft. Er hat die Hoffnung doch nie aufgegeben. Pia drehte sich zum dunklen Nachthimmel um. Dort sah sie das Lieblingssternenbild von ihr und ihrem Opa. Ob er es gerade auch betrachtete?

Alle Infos

Die Über All Lesung

Lasst euch von sieben der Preisträger:innen des Wettbewerbs Über All in ferne Welten entführen

Die Über All-Preisträger:innen

Vielen Dank an alle Teilnehmenden für diese spannenden Exkursionen ins All und herzlichen Glückwunsch den Preisträger:innen

Die Über All Jury

Teilnahmebedingungen

Preise - Das gibt es zu gewinnen!

Schirmherrin Dr. Suzanna Randall

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